Tacloban.

„Wir brauchen eine organisierte Brigade, die die Leichen einsammelt, Lebensmittel bringt und das Plündern stoppt.“ Joan Lumbre-Wilson steht mit zahllosen Hungernden und Durstenden vor einem der wenigen Hilfszentren in Tacloban. Am Freitag wurde die Hauptstadt der Insel Leyte vom Monster-Taifun „Haiyan“ dem Erdboden gleichgemacht. „Das ist vier Tage her“, sagt die 54-Jährige. „Wir brauchen endlich Wasser, etwas zu Essen. Wir brauchen jemanden, der uns hilft.“

Hilfsteam aus Duisburg auf den Philippinen angekommen

Auf dem Weg in das Notgebiet ist das Duisburger Hilfsteam der Organisation I.S.A.R. inzwischen in der Hauptstadt Manila eingetroffen. Im Gepäck haben die 24 Ärzte, Sanitäter und Helfer zwei Tonnen Ausrüstung und Medikamente. Die medizinische Hilfe des Teams wird nach Angaben der Behörden dringend gebraucht. Jetzt warten die Helfer stündlich auf den Weitertransport nach Tacloban.

Was sie dort erwartet, bezeichnen Überlebende als Hölle auf Erden. Der Kampf gegen Hunger und Verzweiflung ist in der Küstenstadt längst in Gewalt umgeschlagen. Ein Hilfstransport des Roten Kreuzes wurde ausgeraubt, Läden und Einkaufszentren geplündert. „Die Menschen werden verrückt. Sie plündern die Läden, um Reis und Milch zu finden“, sagte der Lehrer Andrew Pomeda. „Ich habe Angst, dass sie sich wegen des Hungers in einer Woche gegenseitig umbringen.“ Die Alarmschreie sind inzwischen in der Hauptstadt Manila angekommen. Gut 450 Polizisten trafen gestern in Tacloban ein. Hundert Soldaten wurden geschickt, um für Ordnung zu sorgen, 500 Pioniere sind im Einsatz, um Straßen frei zu räumen. Doch wirkt das beim Ausmaß von Zerstörung und Not wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. 20 000 Einwohner hatte die Stadt, bis sie am Freitag von einer fünf Meter hohen Welle überspült wurde. Von Dörfern an der Küste, in denen fast nur Holzhäuser standen, ist nur ein Trümmerfeld übrig. Mehr als 10 000 Menschen, so eine vorläufige Schätzung der Polizei, sind allein in der Provinz Leyte in den Tod gerissen worden. Insgesamt seien auf den Philippinen 9,5 Millionen Menschen betroffen, 620 000 Menschen hätten ihr Obdach verloren, erklärte das UN-Büro für die Koordinierung von Hilfseinsätzen.

Die internationalen Hilfsbemühungen liefen derweil mit Hochdruck an. Das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) bereitete mit der philippinischen Regierung auf dem Flughafen der Insel Cebu die Einrichtung einer Luftbrücke vor. 44 Tonnen Energiekekse wurden aus Dubai auf den Weg gebracht.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef kündigte für heute ein Transportflugzeug mit 60 Tonnen mit Zelten und Medikamenten an. Ausrüstung für Sanitäreinrichtungen und zur Aufbereitung von Wasser sollen folgen. „Es ist sehr schwer, die am schlimmsten getroffenen Gegenden zu erreichen“, sagte der Unicef-Beauftragte für die Philippinen, Tomoo Hozumi. „Wir arbeiten rund um die Uhr.“

Schutzunterkünfte werdenzur tödlichen Falle

Auch wenn Sicherheitskräfte und Hilfe eintreffen, drängt sich die Frage auf, ob die Behörden die Bevölkerung nicht besser hätten schützen können. Die Regierung weist Versäumnis-Vorwürfe zurück. „Man kann sich nicht auf einen Sturm mit 320 Stundenkilometern vorbereiten“, sagte Energieminister Jericho Petilla. „Alle Vorsichtsmaßnahmen nutzten bei solcher Gewalt wenig. Die ganze Provinz hätte vollständig evakuiert werden müssen.“ Und in Tacloban war die Zerstörung letztlich so groß, dass für viele ausgerechnet die Schutzunterkünfte zur tödlichen Falle wurden.

Philippinische Wissenschaftler resignieren dagegen. „Wir haben versagt, uns Gehör zu verschaffen“, sagt der Geologe Mario Aurelio von der Universität Manila. Obwohl die Philippinen ständig mit Naturkatastrophen zu kämpfen hätten, „ist es für die lokale Bevölkerung sehr schwer, solche Phänomene rechtzeitig zu erfassen“.