Essen. 8000 Ehrenamtliche übernehmen bundesweit den Dienst bei der Telefonseelsorge. Bei den Gesprächen geht es um Krankheit, um Einsamkeit und um den Tod
Es muss kurz nach Zwei sein. Längst ist es ruhig geworden, draußen auf der sechsspurigen Straße hinter den doppelt verglasten Fenstern in der Essener City. Kurz war sie weggenickt am Schreibtisch, als das Telefon klingelt. „Meine Frau ist gerade gestorben“, sagt ein Mann. Die Stimme ist leise. Ohne Aufregung. So etwas registriert die Telefonseelsorgerin. Das hat sie gelernt und in vielen Gesprächen eingeübt.
„Sie ist neben mir im Bett gestorben“, sagt der Anrufer. Er will noch eine halbe Stunde bei seiner Frau liegen, mit der er über 50 Jahre verheiratet war. Dann will er den Notarzt rufen. „Bleiben Sie ein wenig bei mir“, bittet er noch. Gemeinsam schweigen, zuhören – und zwischendurch immer wieder Tränen.
Streit mit dem Partner
18 200 Anrufe kamen 2012 bei der Katholischen Telefonseelsorge in Essen an. Die Gründe, warum jemand die 0800 –1110 222 oder 0800 – 1110 111 (evangelische Telefonseelsorge) wählt, sind sehr unterschiedlich. „Meistens geht es um psychische Erkrankungen und um körperliche Beschwerden, um Einsamkeit, um Streit mit dem Partner, um Stresspunkte des Lebens - dazwischen so mancher Scherz- und Testanruf“, schildert Peter Heun, Leiter der Telefonseelsorge. Vier von zehn Anrufern sind zwischen 30 und 60. Es rufen genauso viele Frauen wie Männer an, von denen jeder dritte Anrufende alleine lebt. Und immer wieder mal äußern Anrufende den Wunsch, sterben zu wollen.
Sie alle schätzen die Anonymität. Keine Namen. Die Telefonnummern werden nirgends registriert. Und keine Kosten. Die Telefonseelsorge kann man auch noch anrufen, wenn die Guthabenkarte im Handy leer ist. Die Rechnung zahlt die Telekom.
„Die Gemeinsamkeit bei den Anrufenden ist das Gefühl einer Belastung, der Überforderung oder des Alleinseins“, berichtet Heun. Wer ihnen im Gespräch helfen wolle, brauche „die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuhören und die Last hinter den Schilderungen zu erfassen.“
Es kommen schwere Zeiten
Die meisten Gespräche dauern etwa 20 Minuten, eher selten geht es länger als eine Stunde. Den Dienst am Telefon der Katholischen Telefonseelsorge Essen teilen sich derzeit 55 Frauen und Männer, bundesweit sind es rund 8000. Sie tun dies ehrenamtlich. Sie kommen aus unterschiedlichen Lebenswelten und Berufen. Viele sind im Ruhestand oder im Vorruhestand, andere stehen am Anfang ihres Berufslebens oder suchen ein Gegengewicht zu ihrer Arbeitswelt.
Es ist fast drei Uhr morgens im Büro der Telefonseelsorge. „Ich danke Ihnen sehr für die Zeit“, sagt der Anrufer, der immer noch neben seiner toten Frau im Ehebett liegt. Jetzt wird er den Notarzt anrufen. Er weiß, dass schwere Zeiten auf ihn zukommen. Er hat mit seiner Frau oft darüber gesprochen. Vielleicht ruft er wieder mal an. Dann wird jemand anderes am Telefon sein. „Das Gespräch hat mir gut getan“, sagt der Mann bevor er auflegt. „Ja, das Gespräch hat gut getan“, sagt die Telefonseelsorgerin.
Fürs eigene Leben profitieren
Die Ausbildung bei der Telefonseelsorge kostet nichts – außer Zeit, Bereitschaft zu lernen, sich selbst und andere in den Blick zu nehmen. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung, Gesprächsführung und die Fähigkeit, so hören zu lernen, dass es für den Anderen hilfreich ist. Diese Fähigkeit zu Achtsamkeit und Wertschätzung empfinden viele der Telefonseelsorger als neuen Gewinn für sich selber. Nach der Ausbildung und einer offiziellen Aufnahme verpflichten sich Ehrenamtliche in Essen zu zwei Schichten im Monat und einem Nachtdienst.
Geld gibt es dafür nicht. Und die Ehrenamtlichen verpflichten sich, in ihrem Umfeld nicht über ihre Tätigkeit sprechen. „Aber alle berichten von einer überraschenden, zuvor kaum erwarteten Bereicherung ihres Lebens. Der Einblick in andere Lebenslagen relativiert so manches, über das man selber klagt und macht den Blick weit für das Verständnis von Leben“, sagt Heun.
In Essen wird im Januar 2014 eine neue Ausbildungsgruppe starten. In der Info-Box rechts steht, wo man mehr über die Telefonseelsorge vor Ort erfahren kann.
Hier können sich Interessierte melden:
Die Telefonseelsorgestellen an Rhein und Ruhr suchen Menschen, die sich für die ehrenamtliche Mitarbeit interessieren. Hier eine Auswahl von Kontakt-Adressen:
Die Geschäftsstelle der
Katholischen Telefonseelsorge Essen erreichen Sie unter
0201 - 248 53 06.
Wer an einer Mitarbeit in der Telefonseelsorge aus dem Einzugsbereich Mülheim, Oberhausen, Duisburg interessiert ist, kann können die Rufnummer : 0203 - 22 657 wählen.
Aus dem Einzugsbereich
Düsseldorf gibt es Infos unter
0211 - 957 577 22.
Aus den Bereichen Dinslaken, Kleve, Moers, Bocholt, Borken und Wesel wählen Sie die Nummer 0281 - 156 141.
Wer sich im Internet über Telefonseelsorge informieren will - siehe: www.telefonseelsorge.de und www.zuhoeren-statt-weghoeren.de.