Im Ruhrgebiet. .

Am Samstagmorgen gegen 10.15 Uhr wird der Polizei klar, dass auch das 143. Derby sehr hässlich werden kann. Da fahren am Bahnhof Essen-West nach und nach rund 400 BVB-Fans vor, die niemals hier sein sollten: Denn von Essen-West fährt die Bahn nach Buer-Nord, mitten in das Herz der Schalker. „Das sollte die reine Provokation werden“, sagt Volker Stall, ein Sprecher der Bundespolizei: „Die wollten zeigen, dass sie unbegleitet und unkontrolliert von der Polizei in Gelsenkirchen einmarschieren können, wie Schalker letztes Mal in Dortmund auch.“

In Bussen zurArena gefahren

Das fällt aus. Es kommt nämlich gar kein Zug wegen eines Güterzugunfalls in Gladbeck. Als doch einer kommt, laufen viele Fans durch die Gleise auf ihn zu, er bremst abrupt – fährt aber auch sowieso nicht weiter. Nun sind 100 Polizisten präsent, die Stimmung ist angespannt, die Beamten nehmen wegen der Gleis-Geschichte die Personalien aller 397 Dortmunder auf. Und dann entscheidet die Einsatzleitung: sie in Bussen zur Arena bringen zu lassen.

„Es gab in Essen keine Ausschreitungen, es gab keine Straftaten“, sagt Stall: „Wenn Leute anders zum Spiel reisen wollen, als die Polizei sich das vorstellt, ist das keine Rechtsgrundlage, sie festzuhalten.“ Danach finden Polizisten im Bahnhof Pyrotechnik, die Fans hinter sich gelassen hatten, um nicht damit entdeckt zu werden.

Ob es Schnittmengen gibt zwischen den 400 aus Essen-West und den späteren Tätern in der Kurve, das ist am Sonntag nicht klar: „Wir haben noch keine Erkenntnisse dazu, das Bildmaterial wird ausgewertet“, sagt Gelsenkirchens Polizeisprecher Johannes Schäfers. Klar ist dagegen am Samstagmittag, Pyrotechnik ist im Anmarsch auf Schalke: Der Ordnungsdienst bekommt jetzt einen Hinweis.

Und doch wird es dann tatsächlich sehr hässlich.

Kurz vor dem Anpfiff brennen Schwarz-Gelb-Vermummte im Fanblock Bengalos und Polen-Böller ab, sie schießen Leuchtraketen selbst in die eigenen Reihen und auf Torwart Roman Weidenfeller, der unten vergebens zu beschwichtigen versucht; ja, sie schießen Leuchtspurelemente in den benachbarten Familienblock, wo die vielen Kinder sitzen. Das ist das Neue, das Schlimme an diesem Nachmittag: dass sich das Pack der Einen nicht nur mit dem Pack der Andern schlägt, sondern Unbeteiligte angreift.

„Es macht keinen Spaß mehr. Wir haben noch nie solche Angst in der Arena gehabt. Kinder haben geheult. Das war schrecklich“, sagt eine Rollstuhlfahrerin. Und ein junger Mann meint: „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Mir ist schon die Pumpe gegangen.“ Nach ein paar Minuten endet die Ballerei, das Spiel hebt an – und endet damit, dass Dortmunder Spieler und Fans sich nach leichtem Zögern normal feiern nach dem Sieg. Angeblich empfahl das die Polizei, um neue Randale zu verhindern.

Die Kontrolle auf Pyrotechnik an den Stadieneingängen hat bisher niemand im Griff. Der gewaltige Rauch zum Beispiel kommt aus Behältern, die nicht mehr größer sind als ein kleiner Finger. „Das können sie ohne Weiteres im Schritt verstecken“, sagt ein Polizist. Zuletzt ist ein Krefelder Sicherheitsdienst an mehrere Bundesligisten herangetreten und bietet ihnen die Dienste von Schnüffelhunden an, die angeblich Pyrotechnik verbellen können; im Einsatz sind sie aber nirgendwo im Fußball.

Begraben muss man wohl auch die romantische Idee, zwischen Dortmund und Schalke sei alles nicht mehr so schlimm, irgendwie seien ja doch alle Ruhrpott und drückten einander die Daumen. Offenbar war das eine Kopfgeburt. In der Wirklichkeit wird es seit einigen Jahren rund um das Derby nur noch rauer. Das nächste folgt am 26. März 2014, und Polizisten gehen davon aus, dass „Schalker“ sich dann rächen wollen.