Essen. . Spielzeug, Autoteile, Luxusgüter: Nichts bleibt von Produktpiraten verschont. Verbraucher sollen sensibler werden, fordern Experten. Bei der Zollfahndung in Essen wurden im vergangenen Jahr insgesamt fast 11.000 Produktfälschungen aus dem Verkehr gezogen.

Die Stofftiere schillern so schön bunt. Zollbeamte haben sie auf Tischen drapiert. Kuscheln sollten Kinder mit diesen Tieren nicht. Der Kontakt könnte Hautreizungen oder Allergien auslösen. Die Fälscher haben Farbstoffe verwandt, die in der EU nicht zugelassen und schon gar nicht geprüft sind. Das ist es, was viele Verbraucher gerne ausblenden, wenn sie zu billigen Produktfälschungen greifen: Der Umgang damit kann gesundheitsschädlich sein, manchmal mit schweren Folgen.

Für Gefahren wie diese will die EU-Kommission die Verbraucher jetzt verstärkt mobilisieren. Vizepräsident Antonio Tajani warb gestern für die Kampagne „Zu schön um wahr zu sein“. „Jedes gefälschte Produkt ist ein Schlag gegen die Firmen und die Verbraucher in der EU“, sagte Tajani beim Besuch des Zollfahndungsamtes in Köln.

Spielzeug, Zigaretten, Arznei, Uhren, Champagner, Kleidung, Smartphones: Etwa 75 Prozent der nachgemachten Ware kommt aus China oder Hongkong, über das Internet, und gefälscht wird mittlerweile nahezu alles. Bundespolizisten und Essener Zollfahnder stellten in diesem Sommer etwa gefälschte Messer in Aachen an der Grenze zu Belgien sicher. Der geschützte Aufdruck „Solingen“ sollte deutsche Wertarbeit suggerieren. Tatsächlich aber verfügten die Messer in den 69 Sets über stumpfe Schneiden und billige Kunststoffgriffe.

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Selbst den Markt mit Autoteilen haben Produktpiraten entdeckt. Auch da wird es für Verbraucher riskant, es geht um Bremsbeläge, Bremsscheiben und Vergaser. „Wir haben schon Vergaser ganz ohne Dichtung gesehen“, berichtet Patentanwalt Dr. Jürgen Lachnit. Die Gefahr: Tritt Benzin aus und gelangt an den heißen Motorblock, kann es zu Fahrzeugbränden kommen.

Eingebaut waren solche minderwertigen Vergaser in Baumarkt-Rollern, die für 750 Euro angeboten wurden. Auf diese Weise schaffe sich die Plagiatindustrie ihren eigenen Ersatzteilmarkt, sagt Lachnit. Wenn an so einem Roller ein Vergaser kaputtgehe, greife niemand zum Originalteil für 200 bis 250 Euro. Die nachgemachten Vergaser hingegen sind für 40 bis 70 Euro zu haben und würden in freien Werkstätten eingebaut.

Vertrieb erfolgt immer häufiger übers Internet

Ausdrücklich lobte EU-Vizepräsident Tajani die Arbeit der deutschen Behörden. Bundesweit hatte der Zoll im vergangenen Jahr gefälschte Waren im Wert von 127 Millionen Euro sichergestellt. Auch vor Ort zeigt sich: Der Handel mit Plagiaten boomt. Das Zollfahndungsamt Essen, das für NRW und Teile Niedersachsens zuständig ist, registrierte 2012 einen Anstieg von 43 auf 69 Verfahren, insgesamt 10 500 Fälschungen zogen die Fahnder aus dem Verkehr.

Der Vertrieb solcher Plagiate – vor allem von Arzneien – erfolgt immer häufiger über das Internet. Das erschwert den Ermittlern die Arbeit, wenngleich man sich in den Behörden auch darauf einstellt. Traditionelle Verkaufsstellen verschmähen die Produktpiraten aber auch nicht. Die bei Aachen sichergestellten Messer waren für Flohmärkte bestimmt. Immer wieder werden Fahnder zudem auf Messen fündig – so auch jetzt auf der Schuhmesse in Düsseldorf. Über 40 Paar wurden sichergestellt. Gegen vier Aussteller laufen Verfahren. Sie müssen mit empfindlichen Schadensersatzklagen der Originalhersteller rechnen. Ob die Aussteller die bei solchen Klagen geforderten Summen bezahlen können, ist freilich offen.

EU-Vizepräsident Tajani fordert härtere Strafen. In Deutschland sind bei Verstößen gegen das Marken- und Urheberrecht schon jetzt drei bis fünf Jahre Haft möglich. Bei Gefahr für Leib und Leben sogar noch längere. Tatsächlich verhängt werden solche Strafen aber kaum.