Limburg. .

Wenn man bedenkt, dass da Ausflügler fotografieren, dann ist ihr Motiv Nummer 1 äußerst sonderbar. Es zeigt nichts als ein geschlossenes, schweres Schiebetor mit dunklen Lamellen, dahinter einen kleinen, gepflasterten Hof und eine massige Pforte; wäre sie nicht mit religiösen Motiven geschmückt, man dächte unwillkürlich an eine gründlich verschanzte Millionärsvilla. Und liegt damit gar nicht mal völlig falsch: Denn was sie da fotografieren, ist der Zugang zum Sitz des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Das „Lügengebäude“, wie sie sagen.

Man nennt ihn hierden „Fürstbischof“

Es ist eine Prozession ohne Ende, die an diesem Limburger Wochenende zum Domplatz hochzieht; eine Prozession aus Schimpfenden und Lästernden, aus Kopfschüttlern und wissend Lächelnden. An die hohe Mauer, die den ganzen Komplex abschirmt, hat jemand drei Grablichter gestellt mit der Aufschrift ,Herr erbarme dich’. „Der Domschatz kommt jetzt unter den Hammer“, sagen die Leute, oder: „Also, wenn die Stelle frei wird, ich nehme sie gerne.“ Plötzlich stellt der überteuerte Bischofssitz den riesigen, bildschönen Dom gegenüber völlig in den Schatten; eine neue Schicht Farbe hätte dem abblätternden Dom aber auch sichtlich gut gestanden.

„Ich bin erzkatholisch, aber was dieser Herr sich leistet, ist mehr als peinlich“, sagt Michael Walke. „Ich kann nicht Gemeinden auf Gedeih und Verderb schließen, um zu sparen, und mir dann so was bauen. Das geht nicht.“ „Es ist schlimm, dass es nur um die Kosten geht“, meint eine Frau und fährt gegen jede Erwartung so fort: „Es muss auch um seine Inhalte gehen, die sind auch schlimm.“ Die Kosten, die Haltung, der Stil: Man nennt ihn hier nur den „Fürstbischof“.

Die Altstadt besteht aus Hexenhäuschen und Fachwerk, das die Jahrhunderte gebeugt haben. Enge Gassen mit Kopfstein, Mauern aus grobem Fels, Kletterpflanzen, Jahrhunderte alte Leichensteine: „Anno DNI 1704 23 Okt Ioannes Conradus“. Die meisten größeren Gebäude hier gehören zum Bistum, man läuft über „Bischofsplatz“, „Kolpingstraße“, „Nonnenmauer“, „Große Domtreppe“... Unten am Kornmarkt steht vor einem Wirtshaus der Aufsteller „Heute letzte Gelegenheit. Bischofsknödel 6,20 Euro.“ „Das Schlimmste ist, sie lachen über uns“, sagt ein Kirchenmann im Ruhestand.

Doch bei allem, was war: Man möchte nicht in der Haut des Bischofs stecken. Das Volk steht vor seinem Sitz, Staatsanwälte erscheinen am Horizont, Reporter belagern den Zugang; etwa zu der Zeit, als Tebartz-van Elst hätte herauskommen und nach Frankfurt fahren müssen für den ersten gebuchten, dann zunächst abgesagten Flug nach Rom, erscheint ein von Medien gecharterter Hubschrauber und kreist wartend über Limburg. Doch in dem Gebäudekomplex tut sich nichts, gar nichts die ganze Zeit; einmal geht Licht an.

Die Menschen draußen, sie sind eigentlich mehr erschüttert als empört; und der Nachruhm des Vorgängerbischofs Franz Kamphaus wächst gerade ins Legendäre. „Er hat im Priesterseminar gewohnt“, erzählt ein Mann, der ihn kannte: „Und wenn man in seinen Kühlschrank geguckt hat, wollte man direkt einkaufen gehen.“

Luthers Thesen an derPforte des Doms

Franz-Peter Tebartz-van Elst kommt auch nicht zum Hochamt. Bevor es beginnt, macht sich an der Tür Fritz Schwirz zu schaffen. Der Mann aus Lutherstadt Eisleben hängt Luthers Thesen auf, darüber steht: „Das Thema Geld und Verfehlung hatten wir bereits im Oktober 1517, mit großer Wirkung. Vergessen? Hier noch einmal zum Nachlesen.“

Fünf Minuten später kommt ein Ordner aus dem Dom, reißt das Blatt ab und drückt es hilflos einer Journalistin in die Hand, die gerade da steht. Sie klebt es wieder an, berufsbedingt: Denn ihr Kameramann hatte das Blatt an der Pforte des Doms noch nicht gefilmt. Wieder kommt der Ordner heraus, reißt es ab – und nimmt es jetzt mit hinein in den Dom.

Das wollte Schwirz ja nur.