An Rhein und Ruhr. . Die Richter haben entschieden. Auch streng muslimische Mädchen müssen am Schwimmunterricht teilnehmen. Die NRZ hat bei Lehrern, Verbänden und Schwimmmeistern nachgefragt, was sie von dem Urteil halten.

Dürfen streng gläubige Muslime ihre Kinder vom Schwimmunterricht befreien? Gestern stellte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig klar: Nein! Die Mädchen können ja lange Kleidung, sogenannte Burkinis (siehe Foto) tragen. Die NRZ fragte bei Lehrern, im Schwimmbad, beim Kinderschutzbund und bei der islamischen Religionsgemeinschaft Ditib nach. Was sagen Sie zu dem Urteil?

Das ändert nichts

„Ich befürchte, das ändert nichts an unseren Problemen“, sagt Rüdiger Severin. Er ist stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule Duisburg-Mitte. 1300 Jungen und Mädchen besuchen dort den Unterricht, etwa 35 Prozent sind Muslime. „Es kommt immer wieder vor, dass Eltern ihre Kinder nicht mit zum Schwimmen lassen“, sagt Severin. In einem Fall hat die Schule mit einem Vater deswegen sogar bis zum Oberlandesgericht geklagt. Als die türkischen Eltern den Prozess verloren hatten, war das Kind schon in Jahrgangsstufe 10. Und da gibt es keinen Schwimmstunden mehr.

Dabei müssen alle Eltern schon bei der Anmeldung unterschreiben, dass ihre Kinder am gemischt-geschlechtlichen Sportunterricht, beim Schwimmen und bei Klassenfahrten teilnehmen. Aber wenn es dann ernst wird, können sich manche offenbar an ihre Unterschrift nicht mehr erinnern“, klagt Rüdiger Severin. Nach seiner Erfahrung geht die Verweigerung immer von den Eltern und nie von den Kindern aus. „Sie sind die Leidtragenden.“

Schulpflicht geht vor

Dorothea Schäfer, NRW-Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, begrüßte das klare Urteil der Bundesrichter: „Wir haben in NRW den Anspruch, dass die Kinder unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit am Schulunterricht teilnehmen.“ Religionsfreiheit dürfe nicht über der Schulpflicht stehen. Neben dem Schwimmen gebe es sich noch andere Fächer, bei denen es aus religiösen Gründen Probleme geben könne. „Man denke etwa an den Biologie-Unterricht“, so Schäfer. Eine andere und für die Lehrer nun schwierige Sache sei es, dieses Urteil auch stets umzusetzen.

Heinz Hilgers, Präsident des deutschen Kinderschutzbundes, setzt eher auf Gespräche zwischen Schule und Elternhaus. „Staatliche Mittel sind nicht geeignet, um derartige Konflikte zu lösen“. Es sei zwar schlimm für ein Kind, wenn es vom Schwimmunterricht oder der Klassenfahrt ausgeschlossen werde und ihnen so Spaß mit anderen Kindern und kultureller Teilhabe entgehe. Noch schlimmer sei es aber, es in einen Loyalitätskonflikt zu stürzen. „Ein Kind liebt doch seine Eltern“, sagt Hilgers.

Schlimme Badeunfälle

„Wir werden das Urteil nicht infrage stellen“, sagt Dr. Bekir Alboga vom Bundesvorstand der islamischen Religionsgemeinschaft Ditib im Gespräch mit der NRZ. Allerdings bleibe für die Betroffenen ein Problem: die Nacktheit der anderen.

Martin Burgers hält es für lebenswichtig, dass alle Kinder am Schwimmunterricht teilnehmen. Er ist Bäderbetriebsleiter in Wesel. Es kam schon vor, dass eine Mitarbeiterin verunsichert bei ihm angerufen habe, weil eine Frau im Burkini ins Becken wollte. „Das ist aber erlaubt“, stellt Burgers klar. Die Kleidung sei geeignet und keineswegs unhygienisch. Hauptsache sei doch, dass auch die jungen Muslime Schwimmen lernen. „Sonst nimmt die Zahl der schlimmen Badeunfälle zu.“