Essen. Strengere Alkoholgrenzen für Radfahrer – die Innenminister der Bundesländer wollen das am Mittwoch fordern. Noch gilt für Radler die Grenze von 1,6 Promille. Bei Autofahrern gilt schon lange 0,5 als Limit. Was sagen Verkehrsexperten und Ärzte dazu? Und fürchten Wirte nach dem Nichtraucher-Schock jetzt ums nächste Kunden-Klientel? Die NRZ hat sich umgehört.

Egal, ob 1,6 Promille, 1,1 oder auch nur 0,9 Promille Alkohol im Blut: Nach Expertenmeinung schließt jeder dieser Werte eine störungsfreie Teilnahme am Straßenverkehr aus. „Für Radfahrer sollte derselbe Promillewert gelten wie für Autofahrer“, fordert Dr. Christoph Stichelbach, Oberarzt an der Fachklinik Kamillushaus in Essen. „1,6 sind ganz eindeutig zu hoch. Wie man auf diese Grenze gekommen ist, erschließt sich mir nicht.“

Der Mediziner weist darauf hin, dass jeder Autofahrer, der mit diesem Wert erwischt wird, zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, dem sogenannten „Idiotentest“, geschickt wird und dort seine Fahrtüchtigkeit nachweisen muss: „Eine richtige Regelung.“

Reaktion stark eingeschränkt

Ein nicht an Alkohol gewöhnter Mensch mit 1,6 Promille, sei „völlig betrunken“, betont Stichelbach. „Sein Koordinierungsvermögen ist erheblich gestört, er lallt, die Reaktion ist stark eingeschränkt. In diesem Zustand stellt jeder Fahrradfahrer im Straßenverkehr eine Gefahr dar.“

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Von Stephan Hermsen (s.hermsen@nrz.de)

Das hätten auch Tests mit Studenten gezeigt, bei denen keiner der Probanden beim „zielgerichteten Betrinken“ über 1,8 Promille hinausgekommen sei. Dr. Stichelbach: „Die jungen Leute haben in diesem Zustand schlichtweg aufgegeben, weil sie schwankten, ihnen schlecht wurde und sie nicht mehr richtig sprechen konnten.“ Und mit dem Rad fahren schon gar nicht.

Das sieht der Geschäftsführer der Verkehrswacht des Kreises Wesel im Prinzip genauso. „Schon bei 0,3 Promille kann die Fahruntüchtigkeit anfangen“, weiß Clemens Ridder. Mit seiner Verkehrswacht hat er vor zehn Tagen in Wesel beim Fahrradaktionstag einen „Rauschbrillen-Parcours“ aufgebaut. Wer die Brille aufhat, sieht alles nur noch verschwommen. „Das simuliert 0,8 Promille“, erklärt Ridder. Weil’s mit dem Fahrrad zu gefährlich ist, gehen die Radler zu Fuß durch die Teststrecke mit Stufen und Kurven. Viele kommen dabei ins Schwanken, können nicht gerade auf einer Linie gehen, verlieren das Gleichgewichtsgefühl.

Mit dem Rad zur Party

„Der Niederrheiner hat eine Tendenz, das Auto stehen zu lassen und mit dem Rad zur Party oder in die Gaststätte zu fahren“, hat der Geschäftsführer der Verkehrswacht beobachtet. Man sei leichtsinnig, weil man glaube, man könne mit dem Rad ja niemanden totfahren. Ein Irrglaube, wie Ridder meint: „Was ist, wenn man mit dem Rad über eine Kreuzung wankt, und ein Autofahrer weicht aus und kracht gegen einen Baum..?“

Und was sagen Wirte? Verlieren sie nach den Rauchern auch die Radfahrer als Kunden? Frank Pollmann, Inhaber der „Rheinwacht“ in Götterswickerhamm macht sich Gedanken. An einem sonnigen Tag machen bis zu 600 Radfahrer in seinem Biergarten am Rhein Station. „Eine strengere Promille-Grenze wäre für uns sicher kein Vorteil“, sagt Pollmann. „Irgendwann dürfen wir nur noch alkoholfreie Getränke und Kaffee Hag ausschenken“, unkt er und tröstet sich: „Immer mehr Leute sind schon auf alkoholfreies Bier umgestiegen.“ Da muss man das Rad auf dem Heimweg garantiert nicht schieben...