An Rhein und Ruhr. .

In den Wartezimmern der Hausärzte und HNO-Spezialisten geben sich demnächst zwei Patientengruppen die Klinke in die Hand: die einen, die noch von der abklingenden Wintergrippewelle erwischt wurden und die anderen, denen die Frühlingspollen zusetzen. Experten warnten gestern vor einer „Pollen-Explosion“. Die Natur, von der frostigen Frühlingskälte um Wochen zurückgeworfen, schlägt umso mächtiger zurück, wenn es dann plötzlich wärmer wird. Nächste Woche soll es so weit sein. Meteorologe Oliver Klein vom NRZ-Wetterdienst Meteomedia kündigt für Mitte der kommenden Woche „zehn bis 15 Grad“ an.

Noch abwarten

„Durch die lange Kälte wurden die Pollen relativ lange unter der Decke gehalten“, sagte Andreas Dietz, Direktor der HNO-Uniklinik Leipzig, gestern im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es war auch nicht zwischendurch warm und dann wieder kalt, so dass die ersten Blühaktivitäten abgefroren wären. Deswegen ist zu erwarten, dass es demnächst relativ rasant zur Sache geht.“

„Mit verstärkt zunehmendem Pollenflug darf gerechnet werden“, warnt auch Prof. Heinrich Dickel. Er ist Oberarzt der Klinik für Allergologie am St.-Josef-Hospital in Bochum und einer der führenden Heuschnupfen-Experten in Nordrhein-Westfalen. „Wie ernst es wird, werden wir noch abwarten müssen. Aber dass der Pollenflug verstärkt einsetzen wird, ist klar. Der startet jetzt so richtig!“

Für eine Hyposensibilisierung, bei der Patienten langsam an Allergene gewöhnt werden, ist es jetzt zu spät. Die klassische Methode ist dabei die Behandlung mit Spritzen über längere Zeiträume hinweg. HNO-Professor Dietz: „Es gibt inzwischen auch Tropfen und Tabletten, die man unter der Zunge zergehen lässt. Aber die besten Erfahrungen hat man doch mit kleinen Spritzen gemacht.“ Aber jetzt kann es nur darum gehen, die akuten Beschwerden zu lindern.

Die NRZ fragte bei dem Allergologen Heinrich Dickel in Bochum nach. Was kann man als Allergiker tun? Wie kann man sich wappnen? Man könne sich gut mit Nasentropfen, Augentropfen oder Antihistaminika (Tabletten) helfen, so der Professor: „Solche Mittel können die Beschwerden deutlich lindern, und man kommt gut über die Pollenflugsaison.“

Sein Kollege Dietz weist darauf hin, dass Allergien eine sehr komplexe Angelegenheit sind. Dass einer ganz isoliert nur auf Birke oder nur auf Ambrosia reagiere, das sei eher selten der Fall. „Das sind oft Mischsituationen, wo man einen Teil ganz gut in den Griff kriegt, aber eben nicht restlos alles.“ Außerdem könnten nicht nur Pollen Allergien auslösen, sondern auch Milben und Schimmelpilze, sagte der Experte. „Jemand, der im Sommer und im Winter große Probleme hat und im Winter möglicherweise verstärkt - bei dem sollte man auf jeden Fall nach Milben gucken.“

Sucht nach Farben

Was den Allergiker ärgert, freut die Gärtner. Sie warten sehnsüchtig auf warmes Wetter. Im Essener Grugapark haben 20 000 Tulpen ihre grünen Köpfe erst ein paar Zentimeter aus dem Boden gereckt. Und die Gärtner müssen Stiefmütterchen und Primeln mit Fleece-Stoff abdecken und vor dem Nachtfrost schützen. Park-Sprecher Eckhard Spengler: „Wenn’s nächste Woche warm wird, kommt die Natur umso schneller.“

Die Parkbesucher wird’s freuen. „Die Menschen haben eine Sucht nach Farben“, ahnt Spengler. Mit seiner Frau wird er dann allerdings seltener durch den Park spazieren. „Sie leidet jetzt schon unter Heuschnupfen.“