Mülheim.

Ein Kind wimmerte, irgendwo draußen - Geräusche, die um halb sechs Uhr morgens eine Anwohnerin in Mülheim aufmerksam werden ließen. Als die 48-Jährige aus dem Fenster schaute, war sie schockiert: Mitten auf der Fahrbahn an der Straße Scharpenberg lag bei eisiger Kälte ein nackter Säugling. Wenige Minuten später waren Notarzt und Polizei vor Ort. Das Baby wurde sofort zur medizinischen Behandlung in eine Fachklinik überstellt. Der Gesundheitszustand des kleinen Mädchens ist kritisch. „Wir wissen nicht genau, wie lang das Baby in der Kälte lag“, berichtet Polizei-Sprecher Lars Lindemann. Es sei aber davon auszugehen , dass die Entbindung erst kurz zuvor stattgefunden habe.

Das Kind ist laienhaft abgenabelt worden, Blutspuren wurden auf der Straße gefunden. Genauere Informationen erhofft man sich durch die Vernehmung der Mutter. Bald nachdem das Kind aufgefunden worden war, startete eine Polizei-Hundertschaft mit einer Such-Aktion. „Wir haben Nachbarn befragt. Nach Zeugen gesucht“, so Lindemann.

Bereits um neun Uhr wurden sie fündig. Ein minderjähriges Mädchen hatte Hilfe bei einem Notarzt gesucht. Es soll noch bei seiner Familie wohnen.

Genauere Angaben über das Alter oder den sozialen Hintergrund will die Polizei nicht machen. Es war lediglich davon die Rede, dass es „sehr jung“ sei. Ebenso stamme es wohl nicht aus einer Familie, die bisher beim Jugend- oder Sozialamt bekannt gewesen sei. „Wir gehen davon aus, dass das Mädchen sich in einer verzweifelten Ausnahmesituation befunden hat.“ Die Jugendliche ist noch nicht vernehmungsfähig, auch sie befände sich nun in medizinischer Behandlung.

Breites Beratungsangebot

Doch wie hätte das Drama verhindert werden können? Das Beratungsangebot für werdende Mütter, auch Minderjährige, ist in Mülheim, aber auch in anderen Städten eher breit. Sowohl seitens der Stadt als auch von freien Trägern wie Caritas, Diakonie oder Awo werden entsprechende Angebote gemacht.

Die Zahlen sprechen eigentlich für eine gute Erfolgsquote: Lediglich zwei Kinder, die eine minderjährige Mutter haben, befinden sich in der Stadt unter der Amtsvormundschaft des Jugendamtes. Das beweise, so der Mülheimer Stadt-Sprecher Volker Wiebels, dass in anderen Fällen innerhalb der Familie eine Lösung gefunden werde.

Auch Pamela Lochner, Leiterin der Einrichtung „Teen und Baby“ vom Essener Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) hat die Erfahrung gemacht, dass es in der Regel die Eltern sind, die mit ihren minderjährigen schwangeren Töchtern Rat und Hilfe suchen. Es könnte aber sein, dass ein Mädchen, das sich an niemanden wenden kann, auch nichts von den Hilfsangeboten wisse: „Das führt natürlich schnell zu einer Überforderung.“ Lochner plädiert dafür, Beratungsangebote noch besser publik zu machen, beispielsweise in Schulen auch auf Einrichtungen wie die anonymen „Babyklappen“ hinzuweisen, wie sie der SkF in Essen anbietet.

SkF-Geschäftsführer Björn Enno Hermans betont aber: „Dies ist nur ein Ausweg für die Frauen, die das breite Beratungsangebot nicht wahrnehmen können, weil sie unbedingt anonym bleiben wollen. Seit 2001 ist die Klappe auch nur 16- mal in Anspruch genommen worden. Allerdings gab es in dieser Zeit auch nur einen einzigen Fall, wo ein Kind ausgesetzt worden ist.“