Bonn/Erftstadt. .
Für Jannis Vassiliou war es ein anstrengender Abend: Er musste gestern seinen Rotarier-Freunden in Bonn erklären, wie die Lage ist in seiner alten Heimat, auf der Mittelmeerinsel Zypern, dem gerade zusammengeklappten Bankenparadies. Er atmet hörbar durch, dann aber besinnt er sich auf die Rolle, die er mehr als zwölf Jahre innehatte: der erst vor einem Monat entpflichtete Honorarkonsul sagt’s diplomatisch: „Es ist schwer für die Zyprer, das alles mitzutragen, aber es geht nicht anders. Wichtig ist: Es sind die Banken und nicht der Staat, der bankrott ist.“
„Frau Merkel will an einem kleinen Land ein Exempel statuieren“
Damit sei die Situation anders als in Griechenland. Seit 38 Jahren lebt der gelernte Goldschmied schon in Bonn und hat immer einen goldenen Draht zur Politik gehabt. Weil zu Hauptstadtzeiten viele Politiker bei ihm einkauften.
„Hans-Dietrich Genscher kenne ich persönlich“, sagt er. Und der ehemalige Außenminister Genscher habe sich auf Zypern einen Namen gemacht: Die Bundesrepublik habe als drittes Land überhaupt 1960 das unabhängige Zypern anerkannt. Deswegen seien die Beziehungen gut, zumindest langfristig. Dass jetzt ein paar Leute auf der Insel gegen Deutschland wettern, sei normal und in ein paar Monaten vergessen. Dennoch, auf die heutige Politikergeneration gibt er weniger und nutzt seinen Nicht-Mehr-Diplomaten-Status. „Ich spreche jetzt als Privatmann“, fängt er an und macht deutlich: „Ich habe das Gefühl, dass Frau Merkel und Herr Schäuble da an einem kleinen Land ein Exempel statuieren wollten.“
Der Bankenplatz Zypern sei jetzt zerstört – und vermutlich würden auch einige Investoren verschreckt, das sei tragisch, weil erst kürzlich vor Zyperns Küste Öl- und Gasvorkommen entdeckt worden sind, die man ab 2017 ausbeuten könne. „Warum hat man das nicht verpfändet und damit Zeit gewonnen?“, fragt er sich. Zypern sei wirtschaftsstark. Als es 2004 in die EU eintrat, war es ein Geberland und auch jetzt liege die Arbeitslosigkeit bei gerade mal zehn Prozent, also auf NRW-Niveau.
Auf die Zeit und auf die Wirtschaftskompetenz setzt auch ein Zypern-Reiseveranstalter aus dem Rheinland, der seit mehr als drei Jahrzehnten hier lebt. „Zypern hat einen Lebensstandard, der vergleichbar ist mit dem in Deutschland, vielleicht sogar etwas höher“, sagt der Spezialist für Zypernreisen. „Die Zyprer haben immer wieder alles aufgebaut“, sagt er. „Als die Türken den Nordteil besetzt haben, gab es mehr als 250 000 Flüchtlinge. Nach sechs Monaten hatten die alle ein Dach über dem Kopf und nicht nur ein Zelt.“ Heute sei Zypern daher eher ein Reiseziel für die gehobene Klientel und die werde weiterhin Kultur und Geschichte der Insel der Aphrodite erkunden wollen, glaubt er.
Seit mehr als fünf Jahrzehnten lebt Antonios Koukoulis in NRW. Was ihn ärgert: „Jetzt stehen in Zypern Berater der Banken aus anderen Ländern bereit, damit das Schwarzgeld bei ihnen angelegt wird. Das ist scheinheilig von der EU.“ Er hat als Weinhändler gearbeitet und die hierzulande seltenen Tropfen der Insel unter die Leute gebracht. „Das ging in England leichter als hier“, sagt er. Dort leben mehr Zyprer, die Insel war bis 1960 britisches Mandatsgebiet – das brachte viele Briten auf den Geschmack.
Viele hiesige Zyprer nervt dasständige Gerede über die Krise
Wer heute derlei probieren will, kann das im Gasthaus Mythos in Bad Godesberg. Dort servieren Athina und Antonis Antoniou die Küche ihrer Heimat. Er habe gerade mit seinem Bruder telefoniert, erzählt Antonis Antoniou. Im Moment seien alle empört, aber der Zyprer vergesse schnell, während die Gastfreundschaft dauerhaft sei. Nur eines nervt ihn wie alle anderen befragten Zyprer: Dass er mit seinen Gästen kaum ein Gespräch führen kann, ohne auf die Lage in seiner alten Heimat angesprochen zu werden. Aber es gibt so Phasen, da ist jeder Zyprer Botschafter seiner Heimat.