Moers. . Die Session bedeutet für Jörg I. und Ingrid I., das Prinzenpaar aus Moers, harte Arbeit. Doch auch der Spaß kommt beim närrischen Treiben nicht zu kurz. Viele Helfer und Sponsoren sorgen dafür, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.
Der Hofstaat sitzt bereits angeschnallt im Auto, als Prinz Jörg noch einmal die Stufen seines Einfamilienhauses hinauf eilt „Ich darf nicht wieder mein Fußballtippspiel vergessen“, ruft 54-Jährige seinem wartenden Gefolge zu.
Es ist 13:48 Uhr. In hellblauem Gewand und geschmückt mit einem dicken Bündel Karnevalsorden, sitzt Jörg Thiel wenige Momente später vor seinem Computer. Vor ihm liegen der Pallmann, das närrische Zepter, und eine Schachtel Zigaretten. „Auf den Pallmann muss ich besonders gut aufpassen. Ein paar Jecken haben es darauf abgesehen.“
Es ist vor allem Prinzenführer Peter Bier, der über die ungeschriebenen Regeln der Vereine und die Kleiderordnung wacht. „Karneval kann manchmal eine verdammt ernste Angelegenheit sein“, erzählt Prinzessin Ingrid lächelnd. Weil ihre Hofdame Birgit in der Aufregung um Friseurbesuch und Pressefotos einen wichtigen Orden vergessen hat, bittet der Prinzenführer zur Kasse. „Heute sind es elf Euro, aber Jörgs Pallmann würde gleich 111 Euro kosten. Das Geld spenden wir später für gute Zwecke.“
„Der Prinz ist live zu Gast“
Als die beiden Kleinbusse des Prinzenpaares vor einer Kneipe in der Innenstadt halten, zeigt die Uhr bereits 15:08 Uhr. Im Fenster hängt ein großes Schild, das mit dem hohen Besuch wirbt: „Der Prinz ist live zu Gast.“ Zwei Frauen stehen in der Tür und winken aufgeregt. Um den Tresen herum haben sich weitere Karnevalisten versammelt, die alle gebeugt über einem Teller feuriger Gulaschsuppe sitzen. „Die Verpflegung ist eine Geschenk der Wirtin. Ohne unsere vielen Helfer und Sponsoren würde der ganze Spaß schnell 30 000 Euro kosten“, erklärt Prinz Jörg. Danach sitzt die Gruppe noch eine Weile zusammen, singt alte Schlager und fachsimpelt über das, was sie alle verbindet: Karneval
Um 18:03 Uhr marschieren die Moerser Tollitäten erstmals an diesem Abend durch einen festlich geschmückten Saal. Die KAB St. Barbara hat zu einer Haussitzung geladen. Schon rund eine halbe Stunde zuvor hatte der jecke Hofstaat unbemerkt von den Gästen im Obergeschoss sein Lager aufgeschlagen, um dort mit dem Musikkorps Hohenbudberg den nahenden Auftritt zu besprechen.
Stimmung bei drei Grad ist prächtg
„Ich bin schon jetzt völlig durchgeschwitzt“, klagt Jörg, der gleichzeitig friert, in die Runde. „Was bin ich nur froh, dass ich keine Strumpfhosen tragen muss.“ Die Gruppe lacht. Zwischen Käsebrötchen und Frikadellen liegen Notenhefte und die wertvollen Pfauenfedern des Prinzen. „Vergesst Eure Handschuhe nicht“, sagt Prinzessin Ingrid zu ihren Hofdamen und fängt an, sich auf der Stelle warm zu tanzen. Das Außentermomenter zeigt nur drei Grad an. Aus dem Treppenhaus ruft jemand, und die achtköpfige Narrentruppe und 17 Musikanten machen sich auf den Weg durch die Menge. Mit einem Mal ist es warm, die Scheinwerfer blenden und von allen Seiten dröhnt Musik.
19:12 Uhr, eine gute Stunde später, befindet sich das Prinzenpaar bereits auf der nächsten Bühne. „An manchen Abenden in der Session sind es acht Auftritte hintereinander. Das heißt dann wirklich: Raus aus dem Bus, sofort rein ins Zelt und nach einer Viertelstunde ist schon wieder Ausmarsch“, so der Prinz, der die letzte halbe Stunde wartend im Flur des Pfarrzentrums St. Marien verbracht hat. Ingrid greift sich unter das knöchellange Kleid und nimmt eine Schachtel Zigaretten aus einem kleinen Tasche, die sie sich eng um ihre rechte Wade gebunden hat. Jörg trinkt einen großen Schluck Cola. „Hoffen wir mal, dass ich nicht zur Toilette muss. So einfach ist das gar nicht mit den ganzen Klamotten.“ 39 Minuten später laufen alle unter Beifall zurück zum Auto.
Das Programm auf der Bühne ist immer ähnlich: Begrüßung, Vorstellung, gegenseitige Ordensverleihung und schließlich das Sessionslied, dass fast jeder der 216 Jecken im Saal laut mitsingt. Während die Hofdamen im Wagen vier weitere Orden auspacken und auf einem blauen Samtkissen ausbreiten, wählt Jörg die Handynummer des nächsten Veranstalters. „Wir sind jetzt gleich bei euch“. Genau um 22:27 Uhr hält der Bus zum letzten Mal vor dem Stammquartier. Zeit für ein Feierabendbier.