Essen. . Vor 52 Jahren kam der Vater von Dagmar Mägdefrau bei einem Bergbauunglück ums Leben. Seine Tochter erinnert sich bis heute an den Tag, als er nicht von der Arbeit unter Tage zurückkehrte. Sie war erst sieben Jahre alt, als sie ihren Vater verlor.

Ich wurde 1955 in Essen geboren. Mein Großvater Heinrich starb schon vor meiner Geburt und hat die letzten Jahre wegen seiner Steinstaublunge an einer Sauer- stoffflasche verbracht. Mein Vater, Jahrgang 1931, war gelernter Maurer, aber im Steinkohlenbergbau wurde weitaus mehr Lohn gezahlt. Außerdem bekam man leichter eine Wohnung, in den Fünfzigerjahren durchaus ein Grund, den Arbeitgeber zu wechseln.

1960 arbeitete er auf der Zeche Hagenbeck in Altendorf, ich kann mich noch gut an die „schwarzen Männer“ erinnern, wenn wir Papa am Zechentor abholten. Seit dem Sommer bewohnten wir ein kleines Zechenhaus. Ich ging in die erste Klasse und hatte ein eigenes Zimmer und einen großen Garten, in dem Onkel Hennes einen Taubenschlag hatte.

Am Totensonntag kamen dann sehr ernste Männer im Anzug und flüsterten mit den Erwachsenen. Erst später wurde mir gesagt, dass mein Vater nicht ausgefahren ist und wahrscheinlich verschüttet wurde. Die ganze Woche wurde gewartet und mir, als Kind, wurde nicht viel erzählt. Ich nahm nur die Unruhe und Trauer wahr.

Die Zeitunge berichten über das Unglück.
Die Zeitunge berichten über das Unglück. © privat

Am Freitag, nachdem schon die beiden verschütteten Kollegen geborgen waren, wurde dann auch mein Vater gefunden. Es gab eine Beerdigung mit Bergmannskapelle, an der ich aber nicht teilnehmen durfte, weil Kinder zu dieser Zeit nicht alles wissen und sehen durften.

Schon beim folgenden Weihnachtsfest wurden wir Hinterbliebenen von der Firma Stinnes zur Feier eingeladen. Es gab feste Standorte, wo wir mit Bussen abgeholt und zum Matthias-Stinnes-Sportheim gebracht wurden. Hier saßen wir an langen Tischen, Witwen und Waisen, unterbrochen durch Herren der Firma Stinnes. Zunächst wurden Reden gehalten, dann sang der Männerchor „Es ist für uns eine Zeit angekommen...“, da weinten dann alle Mütter und ich war froh, wenn wir endlich den Kuchen essen durften, denn danach kam die Märchenaufführung und die Stimmung wurde wieder besser.

„Noch heute bin ich entsetzt, wie viele Waisen bei der Feier waren.“
„Noch heute bin ich entsetzt, wie viele Waisen bei der Feier waren.“

Noch heute bin ich entsetzt, wenn ich mir überlege, wie viele wir bei dieser Feier waren und wie normal es doch war, dass immer wieder ein Bergmann nicht zurück kam. Mein Vater war gerade 31 Jahre alt, ich war 7 und mein Bruder hatte gerade seinen 2. Geburtstag gefeiert. Am Anfang hieß es noch, wir würden einen Vormund bekommen. Zum Glück durfte meine Mutter uns dann alleine großziehen. Was ihr gut gelungen ist.

Auch interessant