Leverkusen. . Wasserrettung NRW probte den Ernstfall in Leverkusen: Bergen eines im Rhein treibenden Menschen. Auch bei der Übung droht Gefahr durch Treibgut

Um 11.38 Uhr knackt das Funkgerät: „Mittagspause“. Der Eurocopter EC 155 schluckt 400 Liter Kerosin aus dem Tankwagen. Acht Gummi-Menschen in Neoprenanzügen löffeln Kartoffelsuppe aus der Feldküche. Mitten hinein in das spätherbstliche Rheinufer-Idyll mit beheizbarem Rot-Kreuz-Zelt pongt eine Eilmeldung auf die Smartphones: Hurrikan Sandy hat in New Jersey einen Deich brechen lassen. Landstriche sind überflutet, viele Hundert Menschen in Gefahr.

„Genau in solchen Situationen kämen wir zum Einsatz“, sagt David Böll, Sprecher der Hubschrauber gestützten Wasserrettung NRW. Sie ist eine von bundesweit sechs Luftretter-Gruppen. Im Ernstfall muss jeder Handgriff der Spezialisten sitzen, die aus den Reihen der Bundespolizei, der Feuerwehr-Taucher, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kommen. Zur Herbstübung kreiste deshalb gestern ein dunkelblauer Hubschrauber der Bundespolizei über Leverkusen-Hitdorf. Vier Stunden lang.

Alle haben die Bilder aus den USA im Kopf

Kein Regen, kaum Wind – ideale Bedingungen. Natürlich haben alle hier die Unwetterbilder aus den USA im Kopf. Doch nun müssen sie sich konzentrieren. Die beiden Piloten, der Bediener der Seilwinde und die Retter trainieren drei Szenerien: Bergen eines im Rhein treibenden Menschen – mal mit, mal gegen den neun Kilometer schnellen Strom. Und: das Einsammeln von Katastrophenopfern, die sich mit letzter Kraft auf ein Hausdach geflüchtet haben. Hier simuliert – durch eine Lkw-Ladefläche. Los geht’s!

Gerade mal zehn Grad kalt ist das Rheinwasser. Und erstaunlich klar. Für Letzteres hat Andreas Hillebrandt allerdings keinen Blick. Rhythmisch mit den Beinen schlagend späht der Monheimer DRK-Rettungsschwimmer nach Treibgut im Strom: „Das wären gefährliche Rammböcke“, sagt Hillebrandt trocken.

Zwei Rettungsboote sichern stromauf und stromab. Die Wasserschutzpolizei lenkt Rheinschiffe auf die linke Rheinseite. So wie den Dampfer, der gen Köln stampft. Viele Hunderte Augenpaare richten sich auf den im Wasser treibenden Hillebrandt.

Und den acht, neun Meter darüber in der Luft schwebenden Hubschrauber. Die Rotoren wirbeln einen Gischtvorhang auf. Direkt unterm Helikopter ist alles ruhig. In das Auge des Maschinenorkans hinein wird der Wasserretter abgelassen und legt Hillebrandt die knallorange Rettungsschlaufe an.

Um exakt über den rasch abtreibenden Schwimmern zu bleiben, drückt der Pilot die Maschine rückwärts. Er kann sie nicht sehen, sondern muss die Kommandos vom Mann an der Winsch in Flugbewegungen umsetzen. Dann lupft das Stahlseil Retter und Opfer an. Kurze Kontrolle, Daumen rauf! Beide Männer werden nach oben gezogen. Dabei umklammert der Retter die zweite Person fest mit Armen und Beinen: Sie darf nicht in Panik um sich schlagen und wieder aus der Rettungsschlaufe herausrutschen.

Zu den Jüngsten im Team gehört Anna Schweer (23), Rettungsschwimmerin der DLRG Wermelskirchen und seit fünf Jahren bei den Luftrettern. Was tun, wenn sie zu einem in Panik um sich schlagenden Ertrinkenden kommt? „Selbstsicherheit zeigen, Ruhe ausstrahlen und sein Ding durchziehen.“ Nur dann gelingt die Rettung genauso, wie sie sie gestern geübt haben.