Essen.. Das Landeskriminalamt NRW bilanziert zwar einen Rückgang der Anzeigen, doch der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung floriert nach wie vor. Die Opfer wenden sich aus Angst kaum an die Polizei.
Der Kampf gegen Menschenhandel stellt die Polizei weiter vor große Herausforderungen. Ein neues Lagebild des Landeskriminalamtes (LKA) hat vordergründig Gutes zu berichten: Im Jahr 2011 gab es NRW-weit 95 Verfahren, bei denen es um Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ging – 36 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der Opfer sank von 147 auf 113, die der Tatverdächtigen von 182 auf 148. Tatsächlich glaubt man aber bei der Polizei selbst nicht, dass die Zahlen die Entwicklung beim Menschenhandel widerspiegeln. Der Rückgang dürfte wesentlich damit zu tun haben, dass es im vergangenen Jahr weniger Anzeigen gab.
Vor allem die Opfer wandten sich seltener an die Polizei (nur noch 28 Hinweise und Anzeigen nach 62 im Vorjahr). Die Frauen, denen meist Pass und Geld abgenommen wurden, stehen unter enormen Druck. Sie werden geschlagen, vergewaltigt. „Die Täter nutzen Notlagen ihrer Opfer skrupellos aus“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Die Frauen hätten Sorge, dass Angehörigen im Heimatland etwas passiert, wenn sie sich an die Polizei wendeten. Und sie hätten Furcht, dass die Polizei genauso korrupt ist wie in ihrer Heimat: „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Scheulen und betont, dass im Kontakt mit den Opfern die Polizei vor allem helfen wolle.
Oft mit falschen Pässen ausgestattet
Jobs als Kellnerin, Putzfrau oder Au-Pair: Mit falschen Versprechungen werden die Frauen in ihrer Heimat geködert – vor allem in Rumänien. Fast jedes vierte Opfer kam im vergangenen Jahr von dort (Vorjahr: 12%). Auch viele Bulgarinnen sind unter den Opfern. Der Anteil von Nigerianerinnen ging im vergangenen Jahr erneut zurück. Die meisten Frauen sind zwischen 18 und 25 Jahren alt. Im vergangenen Jahr waren aber auch wieder mindestens zehn Minderjährige darunter. Diese Zahl könnte sich noch auf bis zu 21 erhöhen, weil in mehreren Fällen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Fest steht: Die bislang jüngsten Opfer, eine Türkin und eine Rumänin, waren erst 13 Jahre alt. Gerade mit Blick auf minderjährige Opfer spricht sich das LKA für verstärkte Kontrollen durch Polizei und Ordnungsämter vor Ort aus. Wichtig: Dokumenten-Fachleute sollten die Kontrollen begleiten, da minderjährige Opfer oft mit falschen Pässen ausgestattet sind (siehe Box).