Dortmund.
Der Verfassungsschutz in NRW sucht weiter nach einer Verbindung der rechtsradikalen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrund nach Dortmund. Dort wurde am 4. April 2006 der türkische Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık ermordet.
Wie aus Ermittlungsunterlagen hervorgeht, verfügten die Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt über Ausspähnotizen aus der Dortmunder Nordstadt. Die ersten Notizen stehen auf einer Adressliste, die bereits am 22. September 2005 ausgedruckt wurde. Die Liste wurde in den Trümmern des Zwickauer NSU-Unterschlupfes gefunden.
Bei den ausgespähten Objekten handelt es sich um das Wahlkreis-Büro einer SPD-Landtagsabgeordneten („sehr ruhige Lage mit gutem Weg“), ein Bürgerbüro der SPD („nur bei schlechtem Wetter einen Gedanken Wert“), einen türkischen Laden („Lage ist akzeptabel“), einen türkischen Imbiss an der Uhlandstraße („Gutes Objekt und geeigneter Inhaber“) und einen weiteren türkischen Laden in Dortmund-Rahm. „Sehr gutes Objekt, guter Sichtschutz“. Als weitere Markierung findet sich auf der Liste die Telefonnummer einer SPD-Bundestagsabgeordneten.
Auf weiteren Notizen finden sich Angaben zu einem Kulturzentrum und zu einem Wohngebiet. Die letzten Ausdrucke aus Dortmund, die sich in den Trümmern finden ließen, stammen vom 3. April 2006. Sie wurden einen Tag vor dem Mord angefertigt.
Das besondere daran ist der zeitliche Zusammenhang. Die Adresslisten legen den Verdacht nahe, dass die NSU-Terroristen bereits im Herbst 2005 in Dortmund waren, um mögliche Opfer auszuspähen. Die Ermittler schreiben: „Die Gegend scheint zielgerichtet ausbaldowert worden zu sein.“
Fanal an die rechtsextremeDortmunder Szene
Weiter schreiben die Ermittler, dass die Ausspähnotizen offenbar von unterschiedlichen Personen angefertigt wurden, darauf würden verschiedene Handschriften in den Adresslisten hindeuten. Aufgrund des Kommentars „Wohngebiet wie in Köln“ vermuten die Beamten, dass zumindest ein Verfasser identisch mit den Mördern des NSU war. Sie untersuchen, ob und falls ja, zu wem die Terroristen in Dortmund Kontakt hatten.
Auch warum der Mord in Dortmund verübt wurde, untersuchen die Beamten. Intern diskutieren sie darüber, ob der NSU-Mord als Fanal an die gewaltbereite rechte Szene in Dortmund dienen sollte.
Nach Recherchen der WAZ hatten sich 2005 und 2006 mehrere Personen aus dem harten Kern der rechten Szene rund um die rechtsradikale Band Oidoxie mit Schusswaffen versorgt. Die Dortmunder Rechtsextremisten unterhielten zudem enge Kontakte nach Belgien. Von dort lieferten führende Neonazis aus dem Umfeld der terroristischen Combat-18-Bewegung weitere Waffen nach Dortmund.
Für ein Fanal an die Dortmunder Szene spricht aus Sicht der Ermittler die Tatsache, dass die Stadt damals als einer der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte in der rechtsextremistischen Gewaltszene gegolten habe. Sechs Jahre vor dem NSU-Mord hatte ein 31-Jähriger aus dem Umfeld der Dortmunder Neonazis drei Polizisten erschossen und sich dann selbst getötet. Die Tat wurde in Nazi-Kreisen gefeiert. Es könnte sein, dass die NSU-Täter diese Gewaltbereitschaft anheizen wollten, vermuten die Ermittler. Da nach dem Mord des NSU Folgetaten ausblieben, glauben sie bislang, die rechte Szene habe das vermeintliche Fanal nicht verstanden oder ignoriert.
Die Generalbundesanwaltschaft will sich nicht zu der Suche nach Kontaktpersonen des NSU äußern. Weder Dortmunder Polizei noch NRW-Innenministerium äußerten sich zu den Ermittlungen.