An Rhein und Ruhr. Ausbruchsserie in der Justizvollzugsanstalt Bochum macht bauliche Schwachstellen in Gefängnissen deutlich

Die jüngste Ausbruchsserie in der JVA Bochum hat eine erneute Diskussion über die Sicherheit in nordrhein-westfälischen Gefängnissen angestoßen. Die Rede ist von baulichen Mängeln, zu hoher Auslastung und zu wenig Personal. Jetzt hat Peter Brock, NRW-Vorsitzender des Bund der Strafvollzugbediensteten, vorgerechnet: „Landesweit brauchen wir 500 Millionen Euro, um die Gefängnisse zu modernisieren.“ Die gleiche Summe hatte das Land in den vergangenen acht Jahren für seine Haftanstalten ausgegeben, 24 Millionen allein für Bochum. „Das Geld ist vor allem in den Neubau eines Hafthauses geflossen. Gerade bei den alten Gebäuden ist noch nicht viel passiert.“ Genau das rächte sich:

Durch ein baulich nicht richtig gesichertes Oberlicht im Besucherbereich, nur wenige Meter neben der bewachten Pforte, gelang einem Häftling bei Putzarbeiten Ende Januar kurzzeitig die Flucht.

Zwei Wochen zuvor hatte ein Verurteilter sein Zellengitter durchsägt und war auf den Dachboden geflüchtet, wo er schließlich gefunden wurde.

Vergangenen Freitag entkam ein Häftling für wenige Stunden.

Nach insgesamt drei Fluchtversuchen seit Jahresbeginn gilt die JVA Bochum als Sorgenkind der Justiz. Mit 780 Inhaftierten ist das im Jahr 1897 erbaute Gefängnis die drittgrößte Haftanstalt in NRW -- mit Verwaltungsgebäude, Hafthaus, Mehrzweckhalle, Sportplatz und gefängniseigenen Betrieben. Direktor Friedhelm Ritter von Meißner bemüht sich um Schadensbegrenzung: „Die JVA Bochum ist ein sicheres Gefängnis.“, betont er. Die Zahl der Ausbrüche sei generell zurückgegangen. Allerdings, so der Anstaltsleiter, „Vollzug ist immer ein Risikobereich.“

Gewerkschaftschef Brock fordert landesweit 500 zusätzliche Vollzugsbeamte, um die Situation zu verbessern. Er berichtet, dass sich die 235 Bediensteten in Bochum nach der Kritik der vergangenen Wochen von der Politik „alleine gelassen“ fühlen. „Zumindest die Leute aus dem Ministerium hätten sich vor die Beamten stellen können.“ Von Meißner sagt, viele Mitarbeiter hätten ob der ausbleibenden Unterstützung das Gefühl, mangelhaft gearbeitet zu haben. Brock ist überzeugt: „Die Beamten haben nur ihren Job getan.“ Er glaubt, die Schuld für die Fluchtversuche werde jetzt auf die Belegschaft abgewälzt, obwohl die Politiker verantwortlich seien. „Die Probleme“, so Brock mit Blick aufs Justizministerium, „sind ja nicht von heute auf morgen gekommen.“

Minister stehtunter Druck

Auch in Düsseldorf wird über das Thema diskutiert. Der Bochumer Anstaltsleiter von Meißner spricht bereits von einer sehr bedauerlichen politischen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Vor wenigen Tagen musste der unter Druck stehende Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) bei einer Sondersitzung des Rechtsausschusses eingestehen, dass etwa die Hälfte aller Anstalten in NRW bauliche Mängel aufweist. Allein in 15 Gefängnissen gebe es dringenden Nachbesserungsbedarf bei der Sicherung der gepanzerten Oberlichter. Der FDP-Abgeordnete Robert Orth behauptete sogar, die JVA Bochum sei „so löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Es herrsche dort eine „Fluchtkultur.“

Der Anstaltsleiter schätzt, die aktuell notwendigen Verbesserungen würden etwa eine Million Euro kosten. „Das Geld wird benötigt, um die härteren Gitterstäbe, eine verbesserte Außensicherung und moderne Kameraüberwachung anzuschaffen.“ Für sämtliche Haft-Einrichtungen in NRW hatte Minister Kutschaty rund zwei Milliarden Euro gefordert. Beide Experten, Brock und von Meißner, geben sich realistisch: „Das ist bei der Haushaltslage gar nicht drin.“