Essen.. Der Handel mit E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids bleibt nach Einschätzung von Rechtsexperten bundesweit legal. Der im Dezember 2011 veröffentlichte Erlass von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens habe keinerlei Einfluss auf die momentane Rechtslage. Behörden, die gegen den Handel vorgehen, würden sich auf dünnes Eis begeben.
Am 16. Dezember 2011 erklärte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Die Grünen): „Der Handel und der Verkauf von E-Zigaretten sowie von liquidhaltigen Kartuschen, Kapseln oder Patronen für E-Zigaretten sind, sofern die arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, gesetzlich verboten.“ Diese Feststellung allein reicht aber nicht dazu aus, um gegen den florierenden Handel vorzugehen. Denn: Noch ist völlig unklar, ob E-Zigaretten und nikotinhaltige Liquids tatsächlich arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Vorschriften unterliegen. Die rechtlich bindende Einordnung überschreitet den Kompetenzbereich des nordrhein-westfälischen Ministeriums. Was fehlt, ist eine bundeseinheitliche und mit geltendem EU-Recht vereinbare Regelung.
Rechtsexperten kritisieren in diesem Zusammenhang das Vorpreschen in Nordrhein-Westfalen. „Der Vertrieb der E-Zigarette, die zu Genusszwecken und nicht zur Nikotinentwöhnung geraucht wird, kann nach dem Arzneimittelrecht nicht verboten werden“, sagt beispielsweise Prof. Dr. Wolfgang Voit, Sprecher der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipps-Universität Marburg. Prof. Dr. Dr. Jürgen Ruhlmann wertet das Vorgehen gar als Niederlage im Kampf gegen die Tabakzigarette. Der Nuklearmediziner des Lungenkrebszentrums Bonn sagt: „Weil die Politik sich nicht traut, die tödliche Tabakzigarette zu verbieten, stoppt sie den Erfolg ihrer Alternative. Das ist ökonomisch und gesundheitspolitisch unsinnig.“
Verkaufsverbot auf rechtlich dünnem Eis
Schon wenige Tage nach dem Erlass sah sich das Ministerium mit einer Klage konfrontiert. Zwar lehnte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht den Antrag ab, stellte in seiner Begründung aber klar, dass der Erlass von Ministerin Steffens lediglich eine rechtliche Bewertung beinhalte, die weder einem Wahrheitsbeweis noch einer Widerlegung zugänglich sei.
Problematisch ist der Erlass von Ministerin Steffens auch aus Sicht der Essener Staatsanwaltschaft. Durch den NRW-Vorstoß und das Verbot in Essen allein ließen sich keine strafrechtlichen Konsequenzen ableiten. Es gebe kein Strafrecht der Länder, sagt Oberstaatsanwalt Willi Kassenböhmer.
Den Schwarzen Peter haben jetzt die Kommunen und kreisfreien Städte. Während die meisten Behörden den Handel aufgrund der ungeklärten Rechtslage weiterhin dulden, fordert beispielsweise Essens Gesundheits-Dezernent Peter Renzel Händler und Apotheken auf, ab sofort keine nikotinhaltigen Flüssigkeiten mehr zu verkaufen. Er droht mit Unterlassungsverfügungen und Zwangsgeldern. Ein Spiel mit dem Feuer, denn eine Rechtssicherheit garantiert der Erlass von Ministerin Steffens der Essener Behörde nicht. "Dem Ministerium ist bekannt, dass Unterlassungsverfügungen erlassen wurden beziehungsweise in Vorbereitung sind", sagte Behördensprecher Christoph Meinerz. Händler der nikotinhaltigen Liquids kündigen bereits an, den Sanktionen mit Schadensersatzklagen zu begegnen.