Duisburg. . Bei einem Rundgang durch den Duisburger Norden besuchte Franz-Josef Overbeck am Dienstag die von Schließung bedrohten Kirchen der Pfarrei St. Norbert. Die Katholiken sind bereit, zwei von fünf Kirchen aufzugeben, Overbeck fordert die Schließung von dreien – und will bis zum 21. Januar entscheiden.

Wenn es in der Kirche kompliziert wird, ist Sturm kein schlechtes Zeichen. Steht er doch symbolisch für den Heiligen Geist, von dem sich Christen gute Ideen und weise Entscheidungen erbitten. Ein gutes Startsignal also für Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, als dessen Wagen gestern Nachmittag vor der Kirche St. Peter in Duisburg-Marxloh hält – eine von noch fünf Gemeindekirchen der Pfarrei St. Norbert, von denen Overbeck drei schließen möchte. Seit Monaten tobt darüber der Streit in Duisburg-Nord. Allen ist klar, dass gespart werden muss -- doch die eigene Kirche will niemand abgeben. „Hier tobt der Häuserkampf“, sagt ein Bistumsmitarbeiter. Der Kampf um Gottes Häuser.

Ein Wandbild in St. Nobert: Von ehemals neun Kirchen auf dem Gebiet der Pfarrei (bis 2005) sind bereits drei geschlossen, weitere sind bedroht - nach dem vorliegenden Vorschlag des Bischofs blieben am Ende nur zwei Kirchen übrig.Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Ein Wandbild in St. Nobert: Von ehemals neun Kirchen auf dem Gebiet der Pfarrei (bis 2005) sind bereits drei geschlossen, weitere sind bedroht - nach dem vorliegenden Vorschlag des Bischofs blieben am Ende nur zwei Kirchen übrig.Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Gestern löste Overbeck nun sein Versprechen ein, sich selbst ein Bild zu machen. „Im vergangenen Jahr haben wir hier 100-jähriges Bestehen gefeiert“, begrüßt ihn Pastor Michael Kemper in St. Peter. „Wir hoffen, dass es nur die ersten 100 Jahre waren.“ Overbeck entgegnet: „Ich bin als Hörender und Sehender gekommen.“ Eine Entscheidung wird es heute nicht geben.

Schon bei Gründung der Pfarrei St. Norbert in Duisburg Hamborn/Marxloh 2006 (siehe Kasten) „war klar, dass wir mit unseren Mitteln nicht auskommen“, sagt Pfarrer Andreas Willenberg. Dabei wurden hier bereits drei Kirchen geschlossen. Erst als vor einem Jahr alle Rücklagen aufgebraucht waren – „da hatten wir Heizöl-Rechnungen über 60 000 Euro und kein Geld mehr“ – habe das Bistum reagiert. Die Pfarrei wurde aufgefordert, sich von zwei ihrer fünf Kirchen zu trennen, drei sollten offen bleiben. „Das hat die Gemeinde schmerzhaft

Viele Gläubige, Bistumsmitarbeiter und Journalisten folgten Bischof Overbeck durch Marxloh und Hamborn. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Viele Gläubige, Bistumsmitarbeiter und Journalisten folgten Bischof Overbeck durch Marxloh und Hamborn. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

akzeptiert“, berichtet Willenberg. Immerhin ist die Zahl der Katholiken im ehemaligen Dekanat Hamborn seit 1971 von einst 62 000 auf aktuell knapp 25 000 gesunken. Doch dann habe der Bischof im Herbst selbst einen „verbindlichen Vorschlag“ präsentiert, nachdem drei Kirchen geschlossen werden sollten. Ein Schwenk, den der Bischof gestern mit der Personalnot im Bistum begründet, die im Sommer noch einmal deutlich geworden sei. Seit diesem Vorschlag prägen neben Angst um ihre Kirchen auch Wut und Enttäuschung die Stimmung unter den Katholiken in Duisburg-Nord.

Dafür begegnen sie ihrem Bischof indes vergleichsweise freundlich: In jedem Gotteshaus haben sich Dutzende Gläubige eingefunden, es gibt ein Gebet, ein paar Worte zur Besonderheit der Gemeinde, zur Kirche. Dann zieht der Bischofs-Tross weiter – den größten Teil der Strecke zu Fuß.

Auch an der Duisburger Merkez-Moschee, schräg gegenüber der Kirche St. Peter in Marxloh, kam Bischof Overbeck vorbei. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Auch an der Duisburger Merkez-Moschee, schräg gegenüber der Kirche St. Peter in Marxloh, kam Bischof Overbeck vorbei. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Ein Weg, auf dem die Gegensätze deutlich werden, die die Pfarrei prägen: Rund um St. Peter Marxloh mit vielen Muslimen und ärmeren Einwohnern. Weiter westlich um St. Barbara (Röttgersbach) und St. Hildegard (Obermarxloh) gutbürgerliche Gegenden und junge Familien in frisch erschlossenen Neubaugebieten. Rund um St. Hildegard und Herz-Jesu (Neumühl) ist der Anteil der Katholiken mit rund 40 Prozent der Einwohner mehr als doppelt so hoch wie in St. Peter. Diese beiden Kirchen wollen weder Bischof noch die Pfarrei schließen.

Jeder Gemeindevertreterhat gute Argumente

Dass aber ab 2015 in St. Barbara Schluss sein soll, können Stefanie Vukancic und Alexandra Brans nicht nachvollziehen. Unterwegs erzählen sie dem Bischof von der tollen Gemeinschaft in der Gemeinde und von ihren Kindern im Kindergarten, der sich just Außenwand und Heizkessel mit der bedrohten Kirche teilt.

Mütter aus St. Barbara schildern dem Bischof die Situation in der Gemeinde und im Kindergarten. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Mütter aus St. Barbara schildern dem Bischof die Situation in der Gemeinde und im Kindergarten. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Doch gute Argumente hat an diesem Nachmittag jeder Gemeindevertreter. Auch Pfarrer Willenberg mit Blick auf St. Norbert. Gerade erst wurde die Kirche für 1,7 Millionen Euro saniert. „Die jetzt zu schließen, ist nur schwer verständlich zu machen“, sagt er. Und mit Blick auf St. Peter in Marxloh fordert Pastor Kemper eine besondere Unterstützung einer der ärmsten Regionen des Ruhrbistums.

Am Ende gibt die Pfarr­-gemeinderatsvorsitzende Angelika Hoffmann Overbeck noch einmal das Votum der Pfarrei mit: Zusätzlich zu St. Hildegard und Herz-Jesu soll St. Barbara oder St. Norbert erhalten bleiben. Und in Marxloh soll die Kirche mit einem auf die Bedürfnisse des Stadtteils ausgerichteten Zentrum präsent bleiben.

„Ich gehe mit großer Nachdenklichkeit“, verabschiedet sich Overbeck. Bis zum 21. Januar will er eine Entscheidung treffen.