Essen. . Ein Richter kann nicht verstehen, warum die Staatsanwaltschaft zwar gegen den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland, aber nicht gegen seinen Dortmunder Amtskollegen Ullrich Sierau ermittelt. Laut einem Vermerk hält er einen Anfangsverdacht für begründet.

Die Affäre um Spenden der Bauunternehmer Stephan Kölbl und Markus Kruse an Parteien im Ruhrgebiet weitet sich aus. Der verantwortliche Wuppertaler Ermittlungsrichter Werner Sdunzik verdächtigt Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau in einem Vermerk bereits der „Bestechlichkeit.“ Im Fall seines Essener Amtskollegen Reinhard Paß hält Sdunzik den Anfangsverdacht einer „Einflussspende“ für begründet, wie aus Dokumenten hervorgeht, die der WAZ Mediengruppe vorliegen.

Damit steht nicht mehr allein der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) im Zentrum des Falles. Sauerland hatte von Kölbl und Kruse innerhalb von wenigen Wochen 38.000 Euro in vier Tranchen bekommen.

Der Dortmunder Fall ist auffällig. Dort ließen die Unternehmer Kölbl und Kruse ein Bürogebäude nahe dem Dortmunder U errichten. Bereits im Frühjahr 2007 sprachen sie dazu mit der Stadt, unter anderem mit dem damaligen Planungsdezernenten Ullrich Sierau, wie die Ermittler notierten. Es sei bei diesen Gesprächen um die Entwicklung eines „Masterplans“ für das Gelände gegangen. Im Juni 2009 begannen die Bauarbeiten zum Bürohaus. Am 6. und am 7. Juli 2009 spendeten Kölbl und Kruse dann jeweils 4900 Euro aus ihrem privaten Vermögen an die SPD. Der Verwendungszweck der Zuwendung war identisch: „Spende Ullrich Sierau“.

"Gezielte Unterstützung der Oberbürgermeisterkandidaten Sauerland und Sierau"

In Essen flossen im August 2009 jeweils 4000 Euro an Reinhard Paß, den SPD-Kandidaten für den Job als Oberbürgermeister. Hier hatten die Ermittler ausgemacht, dass Kölbl und Kruse sich mit der „Revitalisierung“ des Glückaufhauses „befassten“.

Die Ermittler hielten fest, dass es Kölbl und Kruse bei ihren Spenden kaum um die Förderung einer bestimmten Partei gegangen sein, sondern „um die gezielte Unterstützung zumindest der Oberbürgermeisterkandidaten Sauerland und Sierau.“

Doch anders als in Duisburg hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal noch keine Ermittlungen gegen die Oberbürgermeister von Dortmund und Essen eingeleitet, wie ein Sprecher bestätigte.

"Kühl kalkulierende Geschäftsleute"

Im Fall Dortmund sorgt das für Kopfschütteln beim zuständigen Ermittlungsrichter Sdunzik. In einem Vermerk hält der Richter fest, dass er es nicht nachvollziehen kann, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen Sierau (SPD) ermittelt. „Die Beschuldigten (Kölbl und Kruse) haben bei diesen Spenden als kühl kalkulierende Geschäftsleute gehandelt.“ Sie hätten Geld in der Erwartung gegeben, „dass die Begünstigten Sauerland und Sierau ihre Zuwendung auch wahrnehmen und mit ihrem Einsatz für die Beschuldigten in Verbindung bringen.“ Das würde den Anfangsverdacht auf „Bestechlichkeit“ begründen. In Essen sieht Richter Sdunzik weiter die Schwelle zu einem Anfangsverdacht auf „Einflussspenden“ als „deutlich überstiegen“ an.

Sdunzik hält in seinem Vermerk darüber hinaus fest, dass er schnelle Durchsuchungen bei allen Verdächtigen für geboten erachtet: Es sei zu befürchten, dass ansonsten „Beweismittel an anderen Orten beseitigt werden.“

Ein Anwalt von Dortmunds OB Sierau erklärte, der von Richter Sdunzik geäußerte Verdacht sei haltlos. Sein Mandant habe nichts mit der Spendenwerbung zu tun gehabt. Dies sei durch eidesstattliche Versicherungen von Sierau und der Geschäftsführerin des Dortmunder Unterbezirkes Christa Becker-Lettow belegt.

Sierau selbst bestreitet jedoch einen Zusammenhang zwischen Spende und seiner Amtstätigkeit. So habe er keine Kenntnis von der Spende gehabt. Der SPD-Unterbezirk in Dortmund halte Amtsträger bewusst in Unkenntnis über die Herkunft der jeweiligen Spenden, wie ein Anwalt Sieraus mitteilte. Zwar seien die Spender gebeten worden, auf den Überweisungsträgern den Zweck der Spende, und damit auch die Unterstützung einzelner Kandidaten anzugeben, allerdings seien die Spenden alleine über den Unterbezirk abgewickelt worden. Sierau habe an keiner Sitzung teilgenommen, auf der über die Spende gesprochen worden sei. Der heutige Dortmunder Oberbürgermeister habe erst am 9. November 2011 von der Kölbl und Kruse-Spende erfahren.