Essen. Der tödliche Unfall im McLaren auf der A 52 in Essen wird seit Dienstag neu aufgerollt. Warum musste Gina Pfeiffer (18) sterben?

Fast genau zwei Jahre nach dem tödlichen Unfall auf der A 52 bei Essen-Kettwig will seit Dienstag das Essener Landgericht klären, warum die 18 Jahre alte Gina Pfeiffer auf dem Beifahrersitz eines McLaren-Sportwagens sterben musste. In der Berufungsverhandlung vor der XI. Strafkammer gegen das bereits erfolgte Urteil des Essener Amtsgerichtes muss sich erneut der 25 Jahre alte Lars D. wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Er hatte den hoch motorisierten Wagen am 20. März 2019 gefahren und war mit ihm von der Fahrbahn abgekommen.

Antwort auf die Frage nach der Unfallursache erhoffen sich vor allem die Eltern der getöteten Essenerin. Sie hatten sich am 3. August vergangenen Jahres zufrieden mit dem Urteil der Amtsrichterin Heike Stumm gezeigt. Sie hatte Lars D. wegen fahrlässiger Tötung zu 14 Monaten Haft mit Bewährung verurteilt, den 25-Jährigen aus dem noblen Essener Stadtteil Bredeney zusätzlich mit 25.000 Euro Geldbuße und 500 Stunden sozialer Arbeit belegt.

"Autobahn ist keine Formel1-Rennstrecke"

Laut ihrem Urteil hatte er bei Tempo 300 die Kontrolle über sein Auto verloren. Auf der Strecke herrscht zwar kein Tempolimit, er habe sich aber über die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h hinweg gesetzt. Richterin Stumm damals: "Damit hat er gegen die Pflicht verstoßen, sein Fahrzeug sicher zu beherrschen." Sie hatte noch hinzugefügt, dass eine Autobahn "keine Formel1-Rennstrecke" ist.

Was die Eltern des Unfallopfers am Dienstag vor Gericht erleben, ist erst einmal ein Gutachterstreit. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten zunächst den Langenfelder Sachverständigen Martin Wende beauftragt, der von einem Fahrfehler des Angeklagten sprach. Nach einer leichten Bodenwelle habe er bei einem Tempo von annährend 300 km/h die Kontrolle über den Wagen verloren. Er sei zunächst links auf den Betonmittelstreifen geprallt und von dort über die gesamte Fahrbahn geschleudert. Dann sei der flache Sportwagen rechts unter die Leitplanke gerutscht und schließlich vor einen Baum geprallt.

Unfallfahrer überlebte leicht verletzt

Bei dieser Kollision sei Gina Pfeiffer getötet und das Auto auseinandergerissen worden. Lars D. war dagegen aus dem Wagen herausgeschleudert worden und hatte den Unfall nur leicht verletzt überlebt.

Roland Rautenberger, der Verteidiger von Lars D., hatte dem Amtsgericht mit Michael Weyde einen zweiten Gutachter präsentiert, der nicht von einem Fahrfehler sprechen wollte. Ein technischer Defekt sei nicht auszuschließen, hatte er gesagt. Er neigte aber zu der Version, dass der McLaren bei Tempo 300 an der Bodenwelle abgehoben habe und dann von einem Fahrer nicht mehr zu beeinflussen sei.

An hohes Tempo herantasten

Allerdings betonte der Berliner Sachverständige, dass der Angeklagte sich an ein derart hohes Tempo habe herantasten müssen: "Das machen auch Rennfahrer so." Da Lars D. den Rennwagen erst zwei Tage zuvor erworben hatte, habe die Zeit nicht ausgereicht. Gutachter Weyde: "Hätte er sich heran getastet, hätte er bei zunehmendem Tempo die Instabilität des Fahrzeuges bemerkt."

Und jetzt gibt es noch einen dritten Gutachter, den die XI. Strafkammer am Landgericht für die Berufungsverhandlung zusätzlich beauftragt hat. Ingo Holtkötter aus Münster hatte das Steuergerät der Airbags ausgelesen und sich auf eine Aufprallgeschwindigkeit an der Leitplanke von etwa 180 km/h festgelegt. Welches Tempo zuvor gefahren sei, das lasse sich nicht nachweisen, sagte er.

Verteidiger lehnt Gutachter ab

Gutachter Weyde warnte davor, die Messergebnisse der Steuergeräte vorbehaltlos zu übernehmen. Und Verteidiger Rautenberger hatte morgens schon beantragt, auf den Gutachter Wende zu verzichten. Dieser habe nicht die nötige Qualifikation, behauptete er. Am Mittwoch wird Wende dazu Stellung nehmen.

Das Gericht vernahm noch einen 45 Jahre alten Dachdecker aus Essen. Dieser ist sicher, den Angeklagten zu Beginn der Fahrt auf dem Parkplatz eines Schnellimbisses im Essener Südviertel gesehen zu haben. Das Nummernschild am McLaren habe hinter der Windschutzscheibe gelegen. Der Fahrer sei dann "mit einem Affenzahn" und großem Lärm auf die benachbarte Auffahrt der A52 gefahren. "Der hat die Welle gemacht", sagte der Zeuge.

Der Angeklagte selbst hat zu den Vorwürfen keine Stellung genommen.