Ruhrgebiet. Seit Montag gibt es Impftermine gegen Corona für über 80-Jährige. Wie schwierig es war, zum Start einen davon zu bekommen.

Montagmorgen, 7.45 Uhr. Hubert Sinn ist guter Dinge. „Endlich bekomme ich einen Impftermin“, sagt der 94-Jährige. Seit Monaten hat er kaum noch einen Menschen getroffen, Weihnachten ist weitgehend ausgefallen, das Haus hat er nur verlassen, wenn es unbedingt nötig war. „Bald wird alles besser“, hofft er. Wir sind beim Versuch dabei, einen Termin im Impfzentrum zu buchen.

Hotline-Nummer schon um 8 Uhr nicht erreichbar

Auch interessant

Die Impfterminvergabe begann am Montag in NRW nur schleppend.
Von Tobias Blasius, Andreas Böhme, Matthias Korfmann, Hubert Wolf

Die Telefonnummer der Hotline hat er in großen Ziffern aufgeschrieben. Aber Sinn hat gehört, dass es am Telefon zu Wartezeiten kommen kann und man doch vorsichtshalber online einen Termin machen soll. „Im Internet kann ich das aber bestimmt nicht“, fürchtet der Senior. Deshalb haben wir einen Laptop hochgefahren. Zur Sicherheit.

8 Uhr. Sinn wählt 080011611702. „Die von ihnen gewählte Nummer ist zur Zeit nicht erreichbar“, kommt aus dem Hörer. Im Netz läuft es besser. Fünf Klicks, und wir sind auf www.impfterminservice.de, um das zuständige Impfzentrum auszuwählen. Es folgt die Schnellprüfung, die wissen will, ob Hubert Sinn überhaupt berechtigt ist für diese Impfung. Daten eingeben, Haken setzen bei Punkt Eins - „älter als 80“ - und bestätigen.

Anmeldevorgang ist kompliziert und langwierig

Auch interessant

Sie sind Telegram-User? Dann verpassen Sie mit unserer regionalen Nachrichtenübersicht der WAZ keine Infos mehr. Hier kostenlos bestellen!

Auf der nächsten Seite muss man eine E Mail-Adresse und eine Handynummer angeben. An letztere wird per SMS eine Kurznachricht geschickt. Die ist spätesten zehn Minuten nach Erhalt auf einer weiteren Seite zu bestätigen. Hat man auch das gemacht, bekommt man eine E-Mail, die man – genau – ebenfalls bestätigen muss. Dann erhält man zwei „Vermittlungscodes“, für jede Impfung einen. „Hätte ich alleine alles niemals hingekriegt im Internet“, sagt Sinn.

Kurz nach 8 Uhr ist es soweit. Wir sind in der Impfvergabe. Code Eins kopiert und eingegeben. Am 8. Februar – dem erstmöglichen Impftag – ist um 14.30 Uhr tatsächlich noch ein Termin frei. „Nehmen“, sagt Sinn und freut sich. „Toll.“ Schnell den Vermittlungscode getippt und gut eine Minute später kommt eine weitere Mail. Läuft. „Sie haben erfolgreich Ihren Corona-Impftermin gebucht“, steht da, verbunden mit der Aufforderung, am besten „direkt“ auch den nötigen zweiten Termin zu machen. Von nun an wird es kompliziert.

Erster Termin steht, der zweite ist oft nicht buchbar

Denn wenn man auf den Button „Zweiten Termin“ klickt, passiert erst nichts, dann kommt die Meldung: „Sie haben den Link zur Buchung des Zweiten Termins ausgewählt ohne den vorab notwendigen ersten Impftermin zu buchen.“ Sinn schüttelt den Kopf. „Versteh ich nicht“, sagt der 94-Jährige, der mitliest. Versteht niemand. Sinn greift noch mal zum Telefon. Ohne Erfolg: „Die von ihnen gewählte Nummer...

+++ Nachrichten direkt ins Postfach: Hier können Sie unsere kostenlosen Newsletter abonnieren! +++

Zweiter , dritter, vierter, Versuch – immer das gleiche Ergebnis. Wäre es nicht so ernst, es könnte „Versteckte Kamera“ sein. Ab 8.25 Uhr – geht nichts mehr. Auf „Bitte warten“ folgt „Ein technischer Fehler ist aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut“ dann „Syntax Error“. Und was ist mit dem Telefon: „Nicht mal mehr ein Rufzeichen“, sagt Sinn.

Senioren verwundert: Mit Ansturm war doch zu rechnen

Wir machen ein paar kurze Anrufe bei Freunden und Bekannten, die für Mutter, Vater, Oma, Opa, Onkel oder Tante ebenfalls Impftermine buchen wollen. Übereinstimmende Antwort. „Geht nicht.“

Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Es gebe „technische Probleme“, bestätigt eine Sprecherin und spricht von „Überlastung“. „Wussten die denn nicht, dass so viele Leute anrufen würden“, wundert sich Sinn.

"Jeder wird einen Termin bekommen"

Der Ansturm sei zu groß gewesen, heißt es gegen Mittag bei der KVWL. Doch es gibt auch gute Nachrichten, denn „es gibt aktuell noch Termine“, sagt eine Sprecherin. Die Anzeige auf der Seite www.impfterminservice.de, die etwas anderes behauptet, sei falsch und ein technisches Problem. Das ganze System sei aufgrund des Ansturms allerdings am Morgen ausgefallen.

Man könne deshalb zurzeit weder telefonisch noch im Internet Termine buchen. Es werde aber mit Hochdruck daran gearbeitet, die Technik so schnell wie möglich hochzufahren. Zum Auftakt seien Termine bis zum 21. März vergeben worden. Ab Dienstag komme dann der 22. März hinzu, ab Mittwoch der 23. März und so weiter. „Jeder wird einen Termin bekommen“, versichert die KVWL.

Den ersten Termin auf jeden Fall wahrnehmen

Auch interessant

Wer zum Start bereits einen 1. Impftermin erhalten hat, nach Zusammenbruch der Technik aber keinen zweiten bekommen hat, muss nach Aussage der KV nichts machen. „Wenn Sie eine Bestätigungsmail für den ersten Termin erhalten haben, ist der auch im System gespeichert. Wir werden uns dann noch mal bei den Betroffenen melden und einen zweiten Termin machen.“ Oder es gebe den zweiten Termin spätestens bei der ersten Impfung. „Nehmen Sie“, sagt die KVWL-Sprecherin, „den ersten Termin deshalb auf jeden Fall wahr.“ Sinn will das machen, hat aber Vertrauen verloren. „Ich glaube es erst, wenn ich die Impfe auch habe.“