An Rhein und Ruhr. Viele Solo-Selbstständige haben den Soforthilfe-Antrag ausgefüllt, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie lagen falsch. Was können sie tun?
Am Abend des 27. März, einem Freitag, sitzt Frank Müskens* vor seinem Rechner in seiner kleinen Wohnung in Essen. Wie Tausende versucht er, die Seite zu erreichen, auf der er die Corona-Soforthilfe beantragen kann. Nach einigen Anläufen gelingt es ihm. Einen Tag später ist sein Antrag bewilligt, zum Wochenbeginn sind 9000 Euro auf seinem Konto. Kurze Zeit später hat er schlaflose Nächte. Es könnte sein, dass er ein Problem hat. Es sieht so aus, als stehe ihm das Geld nicht zu.
Müskens, Ende 30, ist Veranstaltungstechniker, sein Geld verdient er vor allem auf Messen. Er ist ein Solo-Selbstständiger ohne Angestellte. Mit Beginn der Corona-Krise brechen ihm die Aufträge weg. „Bis mindestens Juni habe ich nichts mehr zu tun“, erzählt er. Für ihn ist das eine Katastrophe, er hat so gut wie keine Rücklagen. Umso mehr ist er erleichtert, als Bund und Land schnelle, unbürokratische Hilfe in Aussicht stellen.
Ein wichtiger Hinweis auf der Ministeriumsseite verschwindet
Ende März ist auf der Seite des NRW-Wirtschaftsministeriums in einem Fragen-Antwort-Katalog zu lesen, die Soforthilfe diene bei Solo-Selbstständigen „auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu finanzieren“. Auf Basis dieser Information füllt Müskens seinen Antrag aus, so wie Tausende andere Solo-Selbstständige.
Anfang April ist der Hinweis auf der Ministeriumsseite verschwunden. In verschiedenen Foren kommt Unruhe auf. „Es hieß jetzt, der Lebensunterhalt dürfe nicht mehr mit der Soforthilfe finanziert werden. Da ist mir schlecht geworden“, erzählt Müskens.
Ministerium: Wir sind an Vorgaben des Bundes gebunden
„Wir sind an die Vorgaben des Bundes gebunden“, sagt ein Ministeriumssprecher. Der Bund stellt das Geld zur Verfügung. Und Berlin pocht darauf, dass die Soforthilfe lediglich „der Aufrechterhaltung der betrieblichen Existenz“ dient. Der private Lebensunterhalt müsse über die Grundsicherung, also das Arbeitslosengeld II abgesichert werden. Sie kann seit dem 25. März in einem vereinfachten Verfahren beantragt werden, ohne die übliche Vermögensprüfung und ohne die Prüfung der Angemessenheit des Wohnraums.
Wie die allermeisten Solo-Selbstständigen, ob es jetzt Veranstaltungstechniker, mobile Friseure oder freie Journalisten sind, hat Müskens nur überschaubare betriebliche Kosten, seine Telefonrechnung oder die Kosten für seinen Steuerberater. Was soll er jetzt mit den 9000 Euro auf seinem Konto machen?
Das Finanzamt wird genau prüfen
„Am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums muss jeder Förderempfänger selbst überprüfen, ob er mehr Soforthilfe erhalten hat, als er zur Abdeckung seines Corona-bedingten Schadens benötigt hat“, sagt der Ministeriumssprecher. Noch ist nicht ganz klar, wie das nachgehalten werden soll. „Die genauen Modalitäten hierzu sind noch in Vorbereitung.“ Klar ist: Wer zu viel bekommen hat, muss das übrig gebliebene Geld zurück an die Landeskasse überweisen.
„Ich werde jetzt erstmal nichts von diesem Geld ausgeben“, sagt Müskens. Alles andere wäre unklug. Er muss den Zuschuss, den er verwendet hat, in seiner Steuererklärung für 2020 angeben. Das Finanzamt wird genau hinschauen. „Die Bewilligungsbehörde ist berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtliche Erhebungen zu prüfen“, betont der Ministeriumssprecher. Es werde sowohl Anlassprüfungen als auch Stichprobenüberprüfungen nach dem Zufallsprinzip geben.
Jetzt hat er einen Antrag auf Grundsicherung ausgefüllt
Müskens ist sicher, dass er bei dem Antrag keine falschen Angaben gemacht hat. Dann wäre er zumindest vor strafrechtlichen Konsequenzen sicher. Wer sich hingegen mit falschen Angaben im Antrag Zuschüsse erschlichen hat, der hat sich des Subventionsbetrugs schuldig gemacht.
Der Essener Veranstaltungstechniker hat jetzt gerade einen neuen Antrag ausgefüllt. Einen auf Grundsicherung. Wird der bewilligt, gilt er rückwirkend bis zum Monatsanfang. Müskens wäre dann zwar Arbeitslosengeld-II-Bezieher, aber die Miete und die anderen laufenden Kosten wären zumindest gedeckt. „Das wäre eine große Erleichterung“, sagt er.
Ministerium drängt auf Änderung der Förderbedingungen
Das NRW-Wirtschaftsministerium hält die Situation für die Solo-Selbstständigen wie Müskens für untragbar. Eine Fördermaßnahme, die schon im Namen explizit Solo-Selbstständige adressiere, „darf über die enge Eingrenzung auf eine reine Sachkostenentschädigung nicht wieder den größten Teil dieser Zielgruppe ausgrenzen“, hat NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am 8. April zusammen mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern an den Bund geschrieben. Sie setzen sich für eine Anpassung der strengen Förderbedingungen ein. Eine Antwort des Bundes steht noch aus.
*Name von der Redaktion geändert