An Rhein und Ruhr. Wegen Corona sind die Kirchen, Synagogen und Moscheen geschlossen. Ein Christ, ein Jude und eine Muslimin berichten, wie sie diese Zeit erleben.
Wegen der Corona-Krise sind Kirchen, Synagogen und Moscheen geschlossen. Wie gehen gläubige Menschen mit dieser Situation um? Wir haben mit einem Christen, einem Juden und einer Muslimin gesprochen.
Rafael Sürgers (52) aus Kevelaer
"Ich bin schon seit meiner Jugend aktiv in der Gemeinde St. Antonius und bin regelmäßiger Kirchgänger. In dem vorletzten Gottesdienst vor der Schließung der Kirche herrschte eine sehr besondere Atmosphäre. Der Pfarrer erinnerte in seiner Predigt an den Krieg. Wir sind aus dem Gottesdienst herausgegangen, ohne zu wissen, wann wir uns wieder zu einem Gottesdienst zusammenfinden werden.
Als ich dann den ersten Gottesdienst im Livestream gesehen habe, hat mich das emotional sehr gepackt, weil mir der Verlust so bewusst wurde. Den vertrauten Kirchenraum auf dem Bildschirm meines Notebooks zu sehen, hat mich sehr berührt und mir so deutlich gemacht, dass ein Gottesdienst eben mehr ist, als eine Sendung. Da gehört mehr dazu. Die Spiritualität der Gemeinschaft ist am Bildschirm nicht erlebbar und natürlich fehlt das zentrale Element, die Kommunion. Das war sehr bedrückend.
Auch den Ostergottesdienst werden wir als Familie am Bildschirm verfolgen. Das kann natürlich kein Vergleich zu dem wirklichen Ostererlebnis sein, wenn sich eine dunkle Kirche langsam erhellt. Ich glaube, wir sollten die Corona-Krise auch als Chance nutzen, unsere Lebensweise zu reflektieren. Wir müssen gerade bitter erfahren, wie schwer es ist, unsere Gewohnheiten einzuschränken, den Konsum, das Reisen. Vielleicht gelingt es uns, unseren ganzen Lebensstil ein wenig zu hinterfragen."
Barai Efraim Sarwar (40) aus Düsseldorf
"Wir feiern ab dem 8. April das Pessach-Fest, an dem wir des Auszugs aus Ägypten gedenken. Die Schiurim, die religiösen Vorträge, in denen unser Rabbi über das Fest erzählt, sehen wir jetzt sonntags bis donnerstags um 20 Uhr im Internet, über die Plattform Zoom. Natürlich sind auch die Schabat-Feierlichkeiten eingeschränkt. Die Havdala, die Zeremonie zum Ende des Schabats mit der Löschung der Kerze können wir jetzt auch über das Internet erleben.
Das sind natürlich alles nur Notlösungen, das kann kein richtiger Ersatz sein. Wir können ja auch nicht gemeinsam in der Thora lesen, dazu müssten zehn Männer in der Synagoge zusammenkommen. Natürlich fehlt die Gemeinschaft. Am ersten Abend des Pessach-Festes sitzen normalerweise viele Menschen zusammen und essen und unterhalten sich. Ein Mensch allein ist auf jeden Fall weniger als die Gemeinschaft.
Wir versuchen trotz allem als Familie im Rhythmus zu bleiben. Meine Frau und ich erklären den Kindern die Situation, und sie verstehen sie. Wir müssen aber aufpassen, dass das nicht zu leeren Abläufen wird, weil dann die Spiritualität verloren ginge. Möglicherweise fällt auch den Juden, die nicht so häufig in die Synagoge gehen, jetzt auf, dass ihnen etwas fehlt.
Was mir in der Corona-Krise aufgefallen ist, ist dass die Menschen draußen unterkühlter und unfreundlicher sind. Die gegenseitige Distanzierung hat zugenommen."
Fathia Bohja (49) aus Essen
"Die Situation ist sehr bedrückend für uns. Am vergangenen Freitag habe ich mir im Fernsehen angeschaut, wie die Situation in Mekka ist, unserer heiligsten Stätte. Der Platz vor der Kabaa in der Heiligen Moschee war leer. Da hat man nur den Adhan gehört, den Gebetsruf. Der Muezzin hat ihn verändert und die Menschen aufgefordert, zu Hause zu beten. So etwas gab es noch nie. Das hat mir sehr weh getan und ich habe Tränen vergossen.
In unserer El-Moahidin-Moschee in Essen fällt das Freitagsgebet auch aus. Eigentlich ist das eine Pflicht für die Männer, das ist für sie eine große Einschränkung. Sehr bedrückend ist für mich, dass die gemeinsamen Abendgebete zu Ramadan wahrscheinlich nicht stattfinden werden. Der Ramadan, unser heiliger Fastenmonat, beginnt am 23. April. Das ist der Monat, in dem man sich zurückzieht, viel betet, und dann mit den anderen Gläubigen nach dem Fastenbrechen zum Gebet zusammenkommt. Wir beten dann, dass Allah unsere Sünden vergibt und wir beten für den Frieden in der Welt. Das ist ein schönes Gefühl der Gemeinschaft, sehr spirituell und es berührt mich im Inneren. Wenn das in diesem Jahr nicht möglich sein sollte, wäre ich sehr traurig. Aber die Gesundheit geht vor.
Ich sehe die Corona-Krise auch als ein Zeichen von Allah, dafür, dass wir Menschen uns endlich aufraffen müssen. Wir brauchen mehr Nächstenliebe, wir müssen mehr auf unsere Familien und Mitmenschen achten, besonders auf die, denen es nicht so gut geht, die Armen und die Alten. Wir sollten aufhören, egoistisch sein. Wir lernen jetzt zu schätzen, wie wichtig unsere Gesundheit ist."