An Rhein und Ruhr. Viele wollen bei der Ernte helfen und haben sich direkt bei den Bauern oder über die Erntebörse beworben. Sogar Stewardessen und DJs melden sich.
Keine Spargelernte, weil die Saisonarbeitskräfte wegen der Coronakrise nicht anreisen können: Das war in der vergangenen Woche die Sorge vieler Anbauer und Kunden. Jetzt erhalten die Landwirte nicht nur Unterstützung von der Bundesregierung, ihnen schlägt auch aus der Bevölkerung eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen.
Knapp 2000 Bewerbungen sind binnen weniger Tage per Mail bei der Erntehelferbörse vom Rheinischem Landwirtschafts-Verband (RLV) und dem Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer eingegangen, nachdem die beiden Verbände Aufrufe in den sozialen Medien gestartet hatten. „Dieser Zuspruch freut uns sehr – er zeigt ja auch, welchen Rückhalt die Landwirtschaft in diesen Zeiten in der Bevölkerung hat“, sagte RLV-Sprecherin Marilena Kipp dieser Redaktion.
Unter den Bewerbern seien Studenten, aber auch Lehrer und Köche. Die Verbände sortieren die Bewerbungen nach Regionen und leiten sie dann an hilfesuchende Bauern vor Ort weiter. „Die ersten Betriebe konnten wir schon versorgen“, berichtete die RLV-Sprecherin. Die genauen Modalitäten müssen zwischen Bewerbern und Bauern ausgehandelt werden. Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit diesem Jahr bei 9,35 Euro.
40.000 Saisonarbeitskräfte in NRW pro Jahr benötigt
„Zu tun gibt es in der Landwirtschaft genug“, sagt Kipp. Erfahrungsgemäß werden in NRW in der Landwirtschaft übers Jahr gerechnet 40.000 Saisonarbeitsarbeitskräfte benötigt – weshalb die Helferbörse weiterlaufen soll und die bäuerlichen Betriebe aber auch darauf hoffen, dass angestammte Kräfte zum Beispiel aus Rumänien oder Polen doch noch anreisen.
Aktuell ist die Spargelernte beim Anbau unter Glas bereits angelaufen, auch im Spargeldorf Walbeck am Niederrhein. Michael Allofs, der dort mit seiner Familie einen Hof betreibt, zeigt sich überwältigt ob der vielen Bewerbungen. „Es haben sich Schüler, Studenten, Kellner und sogar eine Stewardess und ein DJ gemeldet“, erzählt der Landwirt. Ein Gastronom habe direkt sein ganzes Team zur Hilfe angeboten. „Viele, die jetzt Zeit haben, weil sie nicht arbeiten können, haben sich beworben. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Unsicherheit bei Bauern und Arbeitskräften
Die Angst sei bei den Spargelbauern in den vergangenen Wochen riesig gewesen, weil nicht klar gewesen sei, wer überhaupt noch einreisen könne und wolle. Mittlerweile sei klar: Die polnischen Erntehelfer hätten – anders als solche aus Rumänien - größtenteils problemlos mit privaten Pkw oder in Kleinbussen an den Niederrhein kommen können. „Die Unsicherheit war auch bei den Erntehelfern groß und sie sind auch jetzt mit einem mulmigen Gefühl hier“, so Allofs.
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Viele seien aber bereit gewesen zu kommen, solange sich die Situation nicht weiter verschlimmere. „Bekommen wir hier italienische Verhältnisse, reisen sie natürlich sofort ab.“ So aber sei der Hof jetzt gerade personell gut aufgestellt. „Die Stewardess und den DJ werden wir an einer unserer sechs Verkaufsstellen einsetzen.“ Auch für die anderen Bewerber gäbe es neben Spargelstechen genügend Arbeit, zum Beispiel das Schälen, Waschen und Kommissionieren.
Personelle Probleme ab Mitte April
Unsicher sei die Personalfrage hingegen in der Zeit nach Ostern. „Da können wir nicht sagen, ob für das Ernten des Freilandspargels weiterhin Kräfte aus Polen kommen“, sagt Allofs. Schüler und Studenten müssten dann eventuell wieder in die Schule bzw. zur Uni. Ebenso unsicher: Ob überhaupt viel Spargel vermarktet werden kann. „Es ist noch nicht klar, ob wir alles aufpflügen, weil derzeit nur Discounter, Supermärkte und Privatkunden Lieferungen benötigen“, erklärt der Landwirt. Die gesamte Gastronomie falle weg. Ausdrücklich lobt der Walbecker in diesen schwierigen Tagen die Bundesregierung. „Sie bringt im Moment sehr viele richtige Maßnahmen auf den Weg und reagiert schnell. Das hilft uns sehr“, so Allofs. Die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Erntehelfer hätten sich deutlich gebessert.
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Das Bundeskabinett hatte am Montag ein Maßnahmenpaket für die Landwirtschaft in Corona-Zeiten geschnürt. Beispielweise dürfen Saisonarbeitskräfte eine kurzfristige Beschäftigung in diesem Jahr bis zum 31. Oktober insgesamt 115 statt bisher 70 Tage sozialversicherungsfrei ausüben. Die Verdienstgrenzen für Vorruheständler werden angehoben und Nebentätigkeiten für Kurzarbeiter erleichtert. Außerdem wurden Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevant anerkannt; und es darf Bauern bis zum 30. Juni nicht einseitig gekündigt werden, wenn sie wegen der Corona-Krise ihre Pacht nicht bedienen können.
Landwirte loben Maßnahmen der Bundesregierung
„Diese Maßnahmen sind ein wichtiges Signal für unsere Landwirte, dass ihre Situation erkannt und ernst genommen wird“, lobte der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen. Es gehe jetzt darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um die Versorgung mit Lebensmitteln abzusichern: „Das hat für uns derzeit oberste Priorität!“