Uniklinik ist bereit für die Versorgung Hunderter Corona-Patienten. Noch ist es in der provisorischen Notaufnahme ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm?

Im Eingangsbereich liegt auf einem Tisch ein Karton mit Mundschutz-Masken. Daneben einer mit Einmalhandschuhen. Desinfektionsmittel. Mit blauen Plastikhüllen überzogene Stühle. Heute wartet hier nahezu niemand. Doch die Pflegenden und die Mediziner im provisorischen Notfallzentrum der Essener Uniklinik  machen sich nichts vor. Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Sie alle rechnen mit harten Tagen. „Wir warten auf das Jahrhunderthochwasser“, sagt Prof. Clemens Kill, der Direktor des Zentrums für Notfallmedizin. Die Sandsäcke sind aufgebaut.

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Überall an Rhein und Ruhr bereiten sich die Krankenhäuser darauf vor, bald mit einer großen Zahl von Menschen konfrontiert zu werden, die das Corona-Virus krank gemacht hat. Die Politik drängt auf einen Ausbau der intensivmedizinischen Kapazitäten, auf die Anschaffung neuer Beatmungsgeräte. Planbare Operationen werden verschoben, um Plätze für Corona-Patienten frei zu halten. Es ist ein Stresstest für die Krankenhäuser und für das Personal.

22 Corona-Patienten, vier werden beatmet

In der Uniklinik in Essen werden derzeit 22 Corona-Erkrankte behandelt. Vier von ihnen werden beatmet. In den vergangenen Wochen haben die Mitarbeiter hier fieberhaft gearbeitet. Sie haben Betten in Stationen abgebaut, in denen planbare Behandlungen durchgeführt werden, der Augenheilkunde beispielsweise, der Dermatologie oder der Orthopädie, um neue Corona-Behandlungsplätze schaffen zu können. Etliche Pflegende und Mediziner haben sich freiwillig für den Corona-Einsatz und die notwendigen Schulungsmaßnahmen gemeldet.

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„Wir sind sehr gut vorbereitet“, ist der Ärztliche Direktor Prof. Jochen Werner überzeugt. Er ist sicher: Die Uniklinik wird im Fall des Falles Hunderte Corona-Patienten vernünftig versorgen können. Die Uniklinik hat an ihren drei Standorten 194 Intensivbetten samt Beatmungsgeräten, aber nicht alle Erkrankten müssen intensivmedizinisch betreut werden.

Momentan genügend Schutzausrüstung

Schutzausrüstung für das Personal gibt es aktuell genügend. „Im Moment sind wir ausreichend versorgt“, sagt Werner. Die Betonung liegt auf „im Moment“. Wenn die Patienten-Zahlen steigen, wird auch der Materialverbrauch zunehmen.   

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Dass die Zahlen rapide zunehmen werden, steht für Prof. Clemens Kill außer Frage. Der Direktor des Notfallzentrums gibt sich keiner Illusion hin: „Warum sollte bei uns etwas anderes passieren als in Italien und Spanien?“ Wo noch vor wenigen Tagen die Kliniken für Neurologie und diverse internistische Fachgebiete waren, hat die Uniklinik jetzt eine provisorische Notaufnahme eingerichtet, um die reguläre zu entlasten.

Die provisorische Notaufnahme ist nicht nur für Corona-Patienten

In dieser Notaufnahme sollen sich nicht nur Patienten melden, die Angst haben, an Corona erkrankt zu sein, auch Menschen mit anderen Beschwerden können hier vorbeikommen. „Das ist hier als erweiterte Hausarztpraxis gedacht“, erklärt die leitende Oberärztin Dr. Carola Holzner. Sie sitzt am Empfang, mit Mundschutz und blauer OP-Kleidung, so wie die Krankenpflegerinnen. Holzner ist verantwortlich für die erste Einschätzung. Könnte der Patient an Corona erkrankt sein?

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Bei einem Verdacht auf Corona werden die Patienten entlang einer grünen Linie in die eigentliche Notaufnahme zur Aufnahme und zu weiteren Untersuchungen hereingeführt. Wenn Menschen aus anderen Gründen kommen, geht es entlang einer blauen Linie und dann möglichst zügig wieder hinaus, wenn nichts Ernstes anliegt. Wer über die orangene Linie eingesteuert wird, muss in die reguläre Notaufnahme.

Die Menschen kommen nicht mehr mit Lappalien

Seit vier Tagen ist die provisorische Notfallaufnahme geöffnet. Was Holzner aufgefallen ist: „Die Leute kommen nicht mehr wegen Lappalien.“ Ob das die Angst ist, sich eventuell anzustecken oder ob die Menschen aus Rücksicht nicht mehr wegen eines Ohrjuckens kommen, kann sie nicht sagen. Ein Drittel der Patienten, die kommen, kommen wegen Corona. Manche, weil sie bei sich Symptome vermuten, andere, weil sie beraten werden wollen. Ein Mensch, der am Freitag in die Notaufnahme kam, musste wegen Corona stationär aufgenommen werden.

Dass es heute in der Notaufnahme gähnende Leere herrscht, beruhigt Prof. Clemens Kill keineswegs. „Das ist wie bei einem Tsunami. Erst geht das Wasser weg, dann kommt die große Welle.“ Es sei eine Lage, sagt er, die auch die Profis nervös macht. Er ist auch etwas zurückhaltender als Jochen Werner. „Wir können zu 90 oder 95 Prozent sicher sein, dass wir vorbereitet sind.“ Im vierten Stock stehen 36 Betten für infektiöse Patienten bereit, wenn es ernst wird.

100 Mitarbeiter der Uniklinik sind derzeit in Quarantäne

Immerhin: Für die Mitarbeiter bieten diese Tage Gelegenheit, ein bisschen durch zu schnaufen. Für die Umrüstung des Gebäudeflügels haben sie gerade einmal zwei Tage gebraucht, erzählt die pflegerische Leitung der Notaufnahme, Jannina Scheuten. Stress pur. Was macht das mit dem Kopf, wenn man weiß, was wahrscheinlich bevorsteht? „Es ist schwer, sich darauf vorzubereiten“, sagt die Krankenpflegerin. „Aber die Mitarbeiter halten zusammen. Wir wachsen zusammen.“

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Die Freiwilligen kommen aus unterschiedlichen Abteilungen. „Das hat auch etwas Lehrreiches“, sinniert Prof. Clemens Kill. Wichtig wird sein, dass die Personaldichte hält. Aktuell sind 100 der insgesamt 8600 Mitarbeiter aus allen Bereichen der Uniklinik in Quarantäne.

Sie forschen an Medikamenten gegen das Corona-Virus     

An der Uniklinik Essen bereiten sie sich jedoch nicht nur auf den pflegerischen und medizinischen Notfall vor. Sie forschen auch an Medikamenten gegen das Coronavirus. Prof. Oliver Witzke ist der Leiter der Klinik für Infektiologie, der einzigen dieser Art in Deutschland. Intensivmedizinisch betreute Patienten werden von ihm mit einem experimentellen Medikament versorgt, das noch nicht zugelassen ist. Er betont aber: „Für dieses Medikament ist für jeden Einzelfall nach vorgegebenen Kriterien eine Genehmigung der Firma notwendig.“  Zudem wollen sie weitere Medikamentenstudien durchführen, in denen weitere neue Substanzen oder Kombinationen von Medikamenten getestet werden.