Essen. Im neuen Verbrechen-Podcast „Der Gerichtsreporter“ geht es um außergewöhnliche Kriminalfälle in NRW. Die ersten drei Folgen sind schon online.

Das Verbrechen als Zeitgeschichte, der Mord als Ausdruck gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Und all das aufbereitet als ein Stück Spannung. Hautnah erzählte Geschichten, die den Zuhörer auch manches Mal schaudern lassen. Mit dem Podcast „Der Gerichtsreporter“ startet Ihre Zeitung ein neues Projekt, um dem Leser einen wichtigen Bereich menschlichen Alltags in Erinnerung zu bringen.

Echte Fälle sind es, die im Gespräch zwischen der Moderatorin Brinja Bormann und dem Gerichtsreporter Stefan Wette lebendig werden. Den beiden Journalisten geht es nicht um billige Effekte. Seriös und subtil gehen sie den Dingen auf den Grund, loten die Tiefen menschlicher Abgründe aus und vernachlässigen keineswegs die Not der Opfer. Aber auch die Täter haben ein Recht auf Erklärung. Was lässt den Menschen zum Mörder werden? Was lässt ihn betrügen, verletzen, rauben, einbrechen?

„Der Gerichtsreporter“ erzählt von spektakulären Kriminalfällen aus NRW

Das Spektrum ist breit. Podcast ist Radio auf Abruf. Jederzeit können die Hör-Beiträge von 20 bis 30 Minuten Länge über das Internet abgerufen werden. Zum Beispiel hier bei Spotify, bei Apple Podcasts und bei Deezer oder auf der Homepage von "Der Gerichtsreporter". Im Podcast geht es um vergangene Fälle, die Stefan Wette in seinen mehr als 30 Jahren als Gerichtsreporter selbst miterlebt hat. Aber er schildert auch spektakuläre Fälle, von denen er gehört hat.

Dafür hat er in Archiven recherchiert, hat Zeitzeugen gesprochen. Aus seiner Erfahrung heraus ordnet er auch diese Fälle ein. Da gibt es 80 Jahre zurückliegende Fälle, aber auch Hexenprozesse aus dem 17. Jahrhundert. Das Format erlaubt es, aktuelle Fälle vorzustellen oder über die Ermittlungen in Vermisstenfällen zu berichten. Eine weitere Voraussetzung: Sie kommen alle aus der Region, aus Nordrhein-Westfalen.

Erste Podcast-Folge: Jürgen Bartsch – Der Kirmesmörder

Seit Montag ist die Seite www.der-gerichtsreporter.de abrufbar. Hören Sie in die ersten Folgen rein: Jürgen Bartsch – der Kirmesmörder, die Albrecht-Entführung und der Milupa-Mörder. Ab Montag, 23. März, wartet die nächste Folge auf Hörer: Peter Kürten – der Vampir von Düsseldorf. Danach erscheint alle 14 Tage eine neue Folge.

Den Anfang macht also Jürgen Bartsch. Jüngere haben seinen Namen wohl noch nie gehört, Ältere wissen sofort, welch Schrecken der so harmlos aussehende Langenberger in den 60er Jahren hervorgerufen hat. Fotos zeigen ihn beim Ortstermin am Tatort seiner Sexualmorde im Langenberger Stadtteil Oberbonsfeld nahe der Großstadt Essen oder im Gerichtssaal. Mit Krawatte und exakt gescheiteltem Haar wirkt der schmale junge Mann so gar nicht wie der Triebtäter, der minderjährige Jungen entführte, missbrauchte, tötete und zerstückelte.

True-Crime-Podcast blickt auf die Hintergründe der Kriminalfälle

Der Podcast zeichnet sein Leben nach. An die Adoption des im November 1946 als Karl-Heinz Sadrozinski geborenen Säuglings durch die Essener Metzgerfamilie Bartsch erinnert der Beitrag. Er beschreibt die freudlose Jugend des Jungen, der in einem katholischen Internat durch einen Priester sexuell missbraucht worden sein soll, und er erzählt vom Leben mit einer offenbar selbst gestörten Adoptivmutter. Noch den 19-Jährigen soll sie selbst in der Wanne gewaschen haben.

Das alles entschuldigt seine Taten nicht. Es erklärt aber vielleicht, warum dieser brav aussehende junge Mann Kinder ermordete und den Familien der Jungen unfassbares Leid zufügte. An all das erinnert der Podcast dieser Zeitung. Er schildert, wie Jürgen Bartsch zwischen 1962 und 1965 vier Jungen in Langenberger Höhlen ermordete.

„Der Gerichtsreporter“ blickt auf die Prozesse

Zur Reaktion der Gesellschaft gehören die Prozesse gegen ihn, die „Bestie von Langenberg“, den „Teufel in Menschengestalt“. So nannten ihn damals die Medien.

Das erste Verfahren sah ihn als voll schuldfähigen Erwachsenen, der, begleitet von lautem Applaus der vermutlich auch zur Lynchjustiz bereiten Menge im Saal, vom Landgericht Wuppertal zu lebenslanger Haft verurteilte wurde. Aber Jürgen Bartsch schrieb auch Rechtsgeschichte, nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil aufhob und das Verfahren ans Landgericht Düsseldorf verwies. Jetzt prozessierte die Justiz nach dem Jugendstrafrecht und wies ihn auf nicht absehbare Zeit in die geschlossene Psychiatrie ein. Dort starb er 1976 nach 29 Lebensjahren. Um seinen Sexualtrieb zu beseitigen, hatte Bartsch eine Kastration gewünscht. Er starb während der Operation an einem Narkosefehler.

Das sind die Podcaster: Brinja Bormann und Stefan Wette

Umgewöhnen müssen sich Podcast-Hörer nicht, wenn sie „Der Gerichtsreporter“ hören: Alle Folgen gestalten Stefan Wette und Brinja Bormann. Beide haben sich die Kriminalfälle in intensiver Recherche erarbeitet. Der 61-jährige Essener erzählt die Verbrechen, ordnet ein. Die 33 Jahre alte Dortmunderin fragt und setzt Schwerpunkte. Brinja Bormann hat an der Dortmunder Uni Journalismus studiert und damals für mehrere Radiosender gearbeitet. Seit 2013 arbeitet sie in der Videoredaktion der Funke Mediengruppe, außerdem für den WDR. Seit 2019 moderiert sie auch den Podcast „nah&direkt“ für Funke. Die Region liegt der Westfälin am Herzen. Sie findet es schade, dass das Ruhrgebiet „oft so runtergemacht“ wird: „Ich lebe gerne hier, die Mischung aus Grün und Industrie hat einen besonderen Charme.“Auch Stefan Wette liebt die Region, stellt sie in privaten Stadtführungen auch gerne Fremden vor. Vielleicht ist das der Ausgleich zu all den Verbrechen, die er täglich erlebt. Seit gut 35 Jahren ist er Gerichtsreporter. Rund 20.000 Prozesse hat er in dieser Zeit für die Funke Mediengruppe besucht. Aus diesem Fundus wird er schöpfen für das Format „Der Gerichtsreporter“.