Essen. . Kirchenaustritte haben in jüngerer Zeit in NRW sprunghaft zugenommen. Für den Schritt wird eine Gebühr verlangt – für den Eintritt nicht.
88.510 Menschen, so viele erklärten 2018 bei den Amtsgerichten in NRW ihren Kirchenaustritt. Das teilte das Justizministerium Montagabend mit. Die Zahl hat sich somit um 22 Prozent gegenüber 2017 erhöht. Damals hatten 72.588 Menschen der katholischen oder der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt.
Zu der genauen Verteilung nach Konfessionen und zu den Kircheneintritten liegen keine Daten vor. Ebenso zu den Motiven für die Austritte kann das Ministerium keine Angaben machen. Neben den Missbrauchsskandalen bei der Kirche könnte Geld dabei ein Grund sein. Der Kirchensteuersatz liegt in NRW bei neun Prozent.
So funktioniert ein Kirchenaustritt
Die Personen, die aus der Kirche in NRW austreten wollen, müssen den Weg über das Amtsgericht in der jeweiligen Stadt gehen. Für den Vorgang gelten besondere Regelungen: Die Erklärung des Austritts kann nur persönlich abgegeben werden, nicht durch einen Vertreter.
Für Minderjährige unter 14 Jahren müssen alle gesetzlichen Vertreter den Austritt erklären. Eine Ausnahme gilt für Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren, diese müssen der Austrittserklärung persönlich zustimmen.
Zum Amtsgericht muss ein gültiger Personalausweis oder sonstige Ausweispapiere in Verbindung mit einer aktuellen Meldebescheinigung, die nicht älter als drei Monate sein darf, mitgebracht werden. Außerdem ist eine eindeutige Bezeichnung der Kirche, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft, aus der ein Austritt erklärt wird, erforderlich.
Amtsgerichte entscheiden verschieden über Gebühren
Für die Erklärung des Kirchenaustritts muss jede Person seit 2006 einen Gebührenvorschuss in Höhe von 30 Euro zahlen. Dieser Betrag kann laut Gesetz allerdings aus sozialen Gründen erlassen werden. Die genaue Bedeutung fassen die jeweiligen Amtsgerichte verschieden auf.
In Gelsenkirchen und Bochum ist es beispielsweise so, dass fast jeder, der aus der Kirche austritt, den Betrag von 30 Euro bezahlen muss. Auch bei einem Bezug von Hartz IV sei schließlich ein Teil der Bezüge für Gebühren wie diese vorgesehen, so Sprecher der beiden Amtsgerichte. Es gäbe aber auch seltene Fälle, bei denen die Personen beim zuständigen Rechtspfleger einen Antrag auf Gebührenerlass stellen, und dieser genehmigt wird.
1000 Euro netto ist die Grenze
Die Amtsgerichte in Düsseldorf, Hagen und Dortmund legen die Regelung etwas kulanter aus. In der Landeshauptstadt wird in Härtefällen geprüft, ob sich ein Betroffener die Gebühr wirklich nicht leisten kann. Dafür werden unter anderem die Kontoauszüge der vergangenen drei Monate angefordert.
Am Amtsgericht in Hagen können Schüler, Studenten und Hartz-IV-Empfängern einen Gebührenerlass einfordern, wenn sie nachweisen können, dass sie kein geregeltes Einkommen haben. In Dortmund legt das Amtsgericht die Regelung noch genauer fest. Dort werden jeder Person, die ungefähr 1000 Euro netto im Monat oder weniger verdient, die 30 Euro erlassen.
In Duisburg wird Minderjährigen der Beitrag erlassen, denen die finanzielle Unterstützung der Eltern fehlt.
So funktioniert ein Kircheneintritt
Wer den anderen Weg, den eines Kircheneintritts wählt, muss dabei nicht über die Amtsgerichte gehen.
Dafür wenden sich Interessierte direkt an das Pfarramt der jeweiligen Kirchengemeinde, zu der sie künftig gehören möchten. Die Personen erwartet dabei keine Glaubensbefragung durch einen Pfarrer.
Die Aufnahme in eine christliche Kirche, als Kind oder Erwachsener, ist mit einer Taufe verbunden. Nach dieser meldet die Kirchengemeinde den Vollzug an das zuständige Einwohnermeldeamt weiter, so dass auch dort eine Kirchenmitgliedschaft vermerkt wird.
Wechsel der Konfession
Die Kirchen der ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen), zu der in Deutschland 23 Kirchen gehören, erkennen die Taufe gegenseitig an. Heißt: Wenn eine Person mit der Konfession römisch-katholisch getauft wurde, kann sie nach einem Austritt in die evangelische Kirche eintreten.
Eine „Umtaufung“ findet nicht statt. Dafür wird allerdings in den meisten Fällen ein Gespräch mit einem Pfarrer der Gemeinde durchgeführt, in dem die individuellen Beweggründe ein Thema sind.
Rückkehr in die Gemeinde
Genauso läuft auch das Prozedere bei einem Wiedereintritt in die Kirche ab, aus der eine Person ausgetreten ist. Bei einem Gespräch mit einem Pfarrer oder Seelsorger sind als Dokumente ein Taufschein und eine Bescheinigung über den Kirchenaustritt erforderlich.
Für die Aktion fallen keine Kosten oder Gebühren an. Nach dem Wiedereintritt ist allerdings wieder die monatliche Kirchensteuer fällig.