. Die Umwelthilfe will ein Böllerverbot an Silvester durchsetzen. Befürworter und Gegner streiten in den sozialen Medien bisweilen erbittert.

Christian Sauter ist 38 Jahre alt, er kommt aus dem Kreis Lippe, er ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter, er ist Mitglied der FDP, und er findet es super, an Silvester Raketen in den Himmel zu feuern. Über den Kurznachrichtendienst „Twitter“ hat der Politiker noch im alten Jahr eine Botschaft in die Welt geschickt. Sie lautet: „Lass Dir 2019 die Freiheit nicht nehmen. Kein Tempolimit, Dieselfahr- und Feuerwerksverbot: Freiheit statt Verbote.“

So ist die Situation in Deutschland: Auf der einen Seite stehen die Menschen wie Sauter, die davor warnen, Freiheiten immer weiter einschränken zu wollen, und auf der anderen Seite stehen jene, die es gutheißen, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Montag angekündigt hat, ein Böllerverbot in deutschen Großstädten mit hoher Feinstaubbelastung durchsetzen und dazu notfalls auch vor Gericht ziehen zu wollen. „Wir werden den politischen Druck erhöhen“, kündigte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch jetzt an.

85.000 Menschen haben Petition unterschrieben

Eigentlich kaum zu glauben. Aber auch jetzt in diesen Tagen, da der Jahreswechsel beinahe schon wieder aus den Köpfen verschwunden ist, kann man immer noch sehr genau beobachten, wie nachhaltig das Thema die Menschen bewegt. Wer im Internet unter „change.org“ die aktuelle „Petition Verbot von Silvesterfeuerwerk für Privatpersonen“ findet, muss feststellen, dass dort nach wie vor Unterschriften im Minutentakt geleistet werden.

Bis Montagmittag hatten fast 85.000 Menschen die Petition unterschrieben. Eine gewaltige Zahl, die eigentlich nur das widerspiegelt, was man um die Silvestertage im Internet beobachten konnte. So rückten um die Jahreswende Gruppen und Veranstaltungen auf Facebook in den Blickpunkt, die Namen haben wie „Silvester ohne Böller“, „Böllerfreies Silvester“ oder „Sauberes Silvester“.

Die Argumente der Gegner

Die Argumente, die vorgetragen werden, sind allgemein bekannt und wiederholen sich: Hohe Kosten, große Verletzungsgefahr, eine Qual für Haustiere, eine unnötig steigende Feinstaubbelastung sowie Rettungskräfte, die unzumutbar belastet werden. Neu dagegen ist, wie intensiv und aggressiv solche Diskussion in Zeiten der sozialen Medien geführt werden.

Und Politiker wie Christian Sauter dürften daran nicht ganz unschuldig sein, weil der Mann seine „Twitter“-Botschaft mit einem Foto ergänzt hat, das viele Feuerwerksgegner als pure Provokation empfunden haben. Zu sehen ist der FDP-Mann, wie er mit ein paar Feuerwerksraketen vor einem alten Diesel posiert und dabei den linken Daumen etwas verschämt in die Höhe streckt.

Für Christian Sauter gehört es zur Freiheit, an Silvester Feuerwerksraketen zu zünden.
Für Christian Sauter gehört es zur Freiheit, an Silvester Feuerwerksraketen zu zünden. © Twitter

„Haben Sie nicht vergessen, noch ein Küken zu schreddern und ein Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren?“, fragt ein Sebastian Fischer auf „Twitter“ und bestätigt damit den Eindruck, dass neben jungen Eltern auch viele Tierliebhaber vehement gegen Böller sind, weil sie in der Silvesternacht mit ihren verängstigten Vierbeinern leiden.

Zusammengefasst lautet der allgemeine Tenor der Reaktionen: Liberalität setze auf Eigenverantwortung. Die von Sauter und Co. dargestellte Eigenverantwortung gehe aber zu Lasten der Umwelt und sei einfach nur kurzsichtig.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert jetzt stellvertretend, Feuerwerke in die Hände von Fachleuten zu legen. Es ist eine Forderung, die sich leicht untermauern lässt. Sehr effektiv beispielsweise mit Videos aus dem Internet, die zeigen, wie rücksichtslos Bürger oder Einsatzkräfte auch bei dieser Jahreswende mit Raketen beschossen wurden.

4500 Tonnen Feinstaub an Silvester

Konkreter sind die Daten zum Thema Feinstaub. Folgt man den Experten des Umweltbundesamtes (UBA), dann wurden in der Silvesternacht rund 4500 Tonnen freigesetzt. Das entspricht mehr als 15 Prozent der jährlichen Emissionen aus dem gesamten Verkehr in Deutschland.

Weniger Einsätze,  mehr verletzte Polzisten

Laut Polizei sind die Einsätze von Rettungskräften in NRW zwar von rund 4300 im Vorjahr auf 3500 gesunken, zugleich aber wurden mehr verletzte Polizisten gemeldet: Die Zahl stieg von 25 auf 38. Auch insgesamt stieg in NRW, laut Polizei, die Zahl der Verletzten – bei hoher Dunkelziffer, da nicht jeder Fall gemeldet wird.

Allerdings: Nach Einschätzung des Magazins Geo dürfte die Zahl „noch erheblich größer sein, da die Feuerwerkskörper, die in größerem Umfang auf illegalen Wegen nach Deutschland kommen, vom Bundesamt nicht berücksichtigt werden.“

Dass es möglich ist, Böllerverbotszonen zu bestimmen, zeigt gerade das Beispiel NRW. In Düsseldorf galt Knaller- und Böllerverbot in der gesamten Altstadt, in Köln durften rund um den Dom keine Feuerwerke abgebrannt werden, und in Dortmund war die Böllerei in zwei Innenstadt-Zonen nahe dem Hauptbahnhof verboten.

Regelung durchs Sprengstoffgesetz

Aber so einfach, dass jede Kommune hergehen und weitreichende Verbote aussprechen kann, ist es nicht. In Köln scheiterte jetzt ein Mann, der beantragte, das Silvesterfeuerwerk wegen der hohen Feinstaubbelastung zu verbieten. Ähnliche Beispiele gibt es aus anderen Bundesländern. Grundsätzliche Verbote darf nur der Bund aussprechen.

In der erwähnten Petition heißt es: „Da es sich Jahr für Jahr herausstellt, dass ein nicht geringer Teil der Deutschen nicht in der Lage ist verantwortungsvoll mit diesem Kleinsprengstoff umzugehen und sich an geltende Gesetze zu halten, fordern wir: Das generelle und ganzjährige Verbot des Zündens von Feuerwerken für Privatpersonen!“

Ob sich hierzulande etwas ändert? Ob der allgemeine Vorschlag, Feuerwerke zu einem festen Zeitpunkt von professionellen Pyrotechnikern abbrennen zu lassen, eine allgemeine Chance bekommt? In Schweden darf niemand mehr ohne besonderen Berechtigungsschein an Silvester eine Rakete abfeuern. Was sagt die Deutsche Umwelthilfe? Man werde alle Möglichkeiten einer Klage prüfen. „Das wäre jedoch das letzte Mittel der Auseinandersetzung“, so der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Am liebsten wäre uns, wir könnten uns möglichst schnell außergerichtlich mit den Kommunen einigen.“