Mam Rashan. . Im Flüchtlingscamp Mam Rashan im Nordirak träumen die Menschen von der Rückkehr in ihre Dörfer. Bis dahin sind sie noch auf Hilfe angewiesen.

Routiniert zupft Noaw Ismail seinem Kunden mit dem Bindfaden die Härchen aus dem Gesicht. Immer wieder schaut der Kunde prüfend in den Spiegel, nickt irgendwann zufrieden. Herr Ismail nimmt ihm die Schürze ab, schüttelt sie vor dem kleinen Shop aus. Die nächsten Kunden warten schon. Hier im Flüchtlingscamp Mam Rashan in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak ist Herr Ismail ein gefragter Mann. „Das Geschäft läuft gut“, sagt er.

Noaw Ismail ist 32. Der drahtige junge Mann ist Jeside, so wie alle die Menschen, die in diesem Flüchtlingscamp in der autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak Obdach gefunden haben. Keimzelle dieses Camps war das Flüchtlingsdorf NRW, 100 Wohncontainer für 500 Menschen, finanziert mit Spenden aus Deutschland. Heute ist Mam Rashan eine Kleinstadt.

Wie alle hier stammt Herr Ismail aus der Region Shingal im äußersten Nordwesten des Irak und wie alle mussten er und seine Frau mit den beiden Kindern Hals über Kopf fliehen, als im August 2014 die Terrorbanden des sogenannten Islamischen Staates ihre Heimat überfielen. Für die selbsternannten Gotteskrieger sind die Jesiden Teufelsanbeter. Tausende starben damals, Hunderttausende flohen.

Der Albtraum ist noch nicht vorbei

Der „Islamische Staat“, dieser Fieberalbtraum von der Restaurierung des untergegangenen sunnitischen Kalifats, ist längst wieder Geschichte. Nur im Südosten Syriens beherrscht die Terrororganisation noch ein kleinen Flecken Land. Für Herrn Ismail und die anderen Flüchtlinge ist der Albtraum aber noch nicht vorbei. Sie können noch nicht in ihre Heimat zurück.

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Herr Ismail hat sich seinen Friseursalon in einem kleinen Container eingerichtet. Zwei Friseurstühle, die bessere Tage gesehen haben, eine Couch für die wartenden Kunden, ein klappriges Holzregal, auf dem Gel und Haarfärbemittel stehen. 3000 irakische Dinar nimmt er für einen Haarschnitt, umgerechnet knapp zwei Euro. Mehr kann er nicht verlangen, die Menschen im Camp haben alle wenig Geld. Er zuckt mit den Schultern: „Ich bräuchte eigentlich neue Rasierer und Scheren, aber die kann ich mir nicht leisten.“

„Wir haben keine Sicherheit“

25 Ladenlokale wie seines stehen in der Nachbarschaft, es ist ein kleiner Basar mit Geschäften, einigen Handwerksbetrieben. Auch sie wurden mit der Hilfe von Spenden aus NRW errichtet, Leser der NRZ haben dazu ihren Beitrag geleistet. „Das hat mir sehr geholfen“, sagt der junge Mann, „ich konnte so wieder in meinem alten Beruf arbeiten. Das hilft mir, meine Familie zu ernähren.“

Ein glücklicher Mann ist er aber nicht, seine Augen sprechen Bände. Er ist vor drei Jahren hierherkommen, vorher musste er mit seiner Familie monatelang in einem Rohbau leben. Jetzt will er eigentlich wieder zurück in sein Dorf. „Aber wir haben keine Sicherheit“, sagt er seufzend.

In Mam Rashan leben heute fast 9000 Menschen. Es ist eines von 21 Camps in der Provinz Dohuk. Die Menschen haben sich gezwungenermaßen in ihrem falschen Leben eingerichtet, so gut wie es geht. Manche können wie Noaw Ismail dank der Hilfe aus Deutschland arbeiten, in den Ladenlokalen, in einer Bäckerei, in Gewächshäusern. Immerhin.

Aus den Schlagzeilen verschwunden

Weite Teile der Shingal-Region wurden bereits Ende 2015 befreit. Aber bis heute liegt die Infrastruktur dort in Trümmern, es gibt keine Schulen, keine funktionierenden Krankenhäuser. In vielen Orten liegen noch immer Sprengfallen. Milizen konkurrieren um die Kontrolle, immer wieder bombardiert die türkische Luftwaffe die Region, in der sie Verbündete der kurdischen Arbeiterpartei PKK vermutet.

Der Irak ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Shero Simo, der junge, engagierte Leiter des Camps Mam Rashan, betont in seinem Büro aber, dass die Flüchtlinge auch weiterhin auf Unterstützung angewiesen sind. „Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr uns nicht vergessen würdet.“ Simo wünscht sich noch mehr Arbeitsmöglichkeiten für die Menschen im Camp. Arbeit heißt Würde, ein eigenes Auskommen, eine Perspektive.

In einer der beiden Schulen des Camps sitzen die Schülerinnen und Schüler dicht an dicht in einem Klassenraum. Der Klassenlehrer ruft einen Jungen auf. Er trägt ein Gedicht vor, mit lauter Stimme. Es handelt von dem Leid, das den Jesiden zugefügt wurde, von den Toten, die sie beklagen mussten, von den Frauen und Mädchen, die entführt und versklavt wurden. Der Kleine ist zehn Jahre alt. Schuldirektor Jalal Kheder tätschelt dem Jungen den Kopf. „Der Winter kommt bald“, sagt er. „Könnt ihr uns Kleidung für die Kinder besorgen?“

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Gewächshäuser, Schulmaterialien, Winterkleidung: Es gibt großen Hilfsbedarf in Mam Rashan. NRZ-Herausgeber Heinrich Meyer hat nun 6000 Euro für den Bau eines Gewächshauses zur Verfügung gestellt. Spenden an: Caritas Flüchtlingshilfe Essen, Bank im Bistum Essen, DE 45 3606 0295 0000 1026 28, Stichwort: Nordirak.

Das Flüchtlingslager Domiz

Das Flüchtlingslager Domiz im Nordirak im Dezember 2013. Zehntausende Flüchtlinge aus Syrien leben hier.
Das Flüchtlingslager Domiz im Nordirak im Dezember 2013. Zehntausende Flüchtlinge aus Syrien leben hier. © Jan Jessen
Im Sommer herrschen hier Temperaturen von bis zu 50 Grad. Im Winter wird bitterkalt.
Im Sommer herrschen hier Temperaturen von bis zu 50 Grad. Im Winter wird bitterkalt. © Jan Jessen
Anfang Dezember hatte es heftig geregnet. Der Boden war aufgeweicht, der Schlamm teilweise knöcheltief.
Anfang Dezember hatte es heftig geregnet. Der Boden war aufgeweicht, der Schlamm teilweise knöcheltief. © Jan Jessen
Tausende Kinder besuchen die in Containern untergebrachten provisorischen Schulen. Sie tragen Schuluniformen.
Tausende Kinder besuchen die in Containern untergebrachten provisorischen Schulen. Sie tragen Schuluniformen. © Jan Jessen
Die Menschen in Domiz haben oft nur das Nötigste auf ihrer Flucht mitnehmen können.
Die Menschen in Domiz haben oft nur das Nötigste auf ihrer Flucht mitnehmen können. © Jan Jessen
Obwohl die kurdische Regionalregierung sich bemüht, das Leben für die Flüchtlinge zu verbessern, mangelt es an vielem.
Obwohl die kurdische Regionalregierung sich bemüht, das Leben für die Flüchtlinge zu verbessern, mangelt es an vielem. © Jan Jessen
Aktuell engagiert sich in Domiz ein Team des deutschen Technischen Hilfswerks (THW). Die Helfer wollen eine provisorische Entwässerungsanlage bauen.
Aktuell engagiert sich in Domiz ein Team des deutschen Technischen Hilfswerks (THW). Die Helfer wollen eine provisorische Entwässerungsanlage bauen. © Jan Jessen
Die Menschen in Domiz ertragen ihr Schicksal bewundernswert gleichmütig.
Die Menschen in Domiz ertragen ihr Schicksal bewundernswert gleichmütig. © Jan Jessen
Ein Problem ist, dass die Flüchtlinge oft nicht auf den harten Winter eingestellt sind. Viele Kinder tragen noch immer Pantoffeln oder Sandalen.
Ein Problem ist, dass die Flüchtlinge oft nicht auf den harten Winter eingestellt sind. Viele Kinder tragen noch immer Pantoffeln oder Sandalen. © Jan Jessen
Mit der gemeinsamen Spendenaktion der Funke-Mediengruppe und der Caritas im Ruhrbistum konnte den Menschen in Domiz geholfen werden. Wir haben für die Kinder Winterschuhe, Mäntel und Strümpfe gekauft. Auf den Plakaten steht:
Mit der gemeinsamen Spendenaktion der Funke-Mediengruppe und der Caritas im Ruhrbistum konnte den Menschen in Domiz geholfen werden. Wir haben für die Kinder Winterschuhe, Mäntel und Strümpfe gekauft. Auf den Plakaten steht: "Das ist eine Spende aus Deutschland. Wir werden euch nicht vergessen." © Jan Jessen
Die Empfangsbestätigung der kurdischen Camp-Leitung. Die Übersetzung des Schreibens lautet:
Die Empfangsbestätigung der kurdischen Camp-Leitung. Die Übersetzung des Schreibens lautet: "Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir drei LKWs gefüllt mit Hilfsgütern für die Flüchtlinge in unseren Camps von Ihrer Seite erhalten haben. Die Hilfsgüter bestanden aus folgenden Waren und wurden von dem Direktorat des Camps in Domiz in Empfang genommen und registriert: 102 000 Windeln. 3024 Paar Winterschuhe. 2000 Pakete Waschmittel. 3000 Paar Socken. 3000 Winterjacken. Mit unserem Dank und Hochachtung, Edrees Nabi Salih, Generaldirekteur des Camps in Domiz" © Jan Jessen
Im Januar hat sich die Lage für die Flüchtlinge weiter zugespitzt. Es hat geschneit.
Im Januar hat sich die Lage für die Flüchtlinge weiter zugespitzt. Es hat geschneit. © Salem Taher
Die Zelte und Hütten, in denen die Menschen leben, sind für die Kälte nicht geeignet. Die Flüchtlinge heizen mit offenen Kersoninöfen. Das erhöht die Brandgefahr.
Die Zelte und Hütten, in denen die Menschen leben, sind für die Kälte nicht geeignet. Die Flüchtlinge heizen mit offenen Kersoninöfen. Das erhöht die Brandgefahr. © Taher
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