Essen. . Zollverein steht beim NRW-Tag im Mittelpunkt. Das ehemalige Zechengelände ist längst Touristenmagnet geworden, der übers Ruhrgebiet hinaus wirkt.

Schwindelfrei sollte sein, wer die Rolltreppe auf Zeche Zollverein betreten will. Das Ende? Von unten nur aus weiter Ferne zu sehen. Durch die orangenen Linien sieht das Technikwunder futuristisch aus – und passt auf den ersten Blick gar nicht so richtig zum Rest des Geländes. Doch Zukunft und Vergangenheit treffen auf dem ehemaligen Zechengelände im Essener Norden aufeinander. Die 55 Meter lange Rolltreppe steht vor der ehemaligen Kohlewäscherei auf Zeche Zollverein und führt hoch ins Ruhrmuseum. Und nicht nur hier geht’s aufwärts.

Denn überall auf dem Gelände tut sich was. Wo früher Kohle gescheffelt, gewaschen und zu Koks verarbeitet wurde, lassen sich immer mehr neue Unternehmen nieder. Der Status als Unesco-Welterbe lockt Touristen – 1,4 Millionen füllten im vergangenen Jahr die Andenken an die Steinkohle-Ära. Dieses Zeitalter geht im Dezember endgültig zu Ende, wenn die letzte Zeche dicht macht.

In Essen ist die Zeit der Kohle schon lange vorbei, auf Zollverein war 1986 Schicht im Schacht. Das Areal ist heute nicht nur ein Symbol fürs Ruhrgebiet, sondern entwickelt sich wieder zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort: Zu Kohle-Hochzeiten arbeiteten hier über 8000 Menschen – heute ist man immerhin bei 1300 Beschäftigten angekommen. Verorteter Strukturwandel, wenn man so möchte.

Klamotten aus alter Bergmannskluft

Auf dem etwa 100 Hektar großen Areal sind 53 Unternehmen ansässig. Künstler betreiben ihre Ateliers, Kreative und Unternehmensberater lassen sich nieder und an der Universität Folkwang sind rund 500 Studenten eingeschrieben. Dazu kommen Hotel und Eventlocations. Die Firma Grubenhelden stellt ab September auf Schacht XII aus alter Bergmannskleidung moderne Klamotten her, das Unternehmen Sapor produziert Seife, die so aussieht wie ein dicker Kohlebrocken.

„Das Besondere ist hier einfach, dass sich ein Welterbe im Wandel befindet“, findet Hans-Peter Noll, der Vorsitzende der Stiftung Zollverein. „Der Dom in Köln bleibt immer der Dom, aber die Zeche Zollverein ist auf dem Weg, ein Paradebeispiel für Wandel und Transformation zu werden.“

Neue Bedeutung des Welterbes

Das Prinzip „Erhalt durch Umnutzung“ bildet dabei die Grundlage für die Entwicklung in einen Standort für Kultur, Wirtschaft und Bildung. Und Potenzial für weiteres Wachstum sei nach wie vor da. „An erster Stelle steht aber das Welterbe. Deshalb befinden wir uns in ständiger Diskussion mit den Unternehmen, die an unserem Standort interessiert sind und der Unesco, die den Titel ‘Welterbe’ an bestimmte bauliche Bedingungen geknüpft hat.“ Da gäbe es aber immer Möglichkeiten.

Was Zollverein so attraktiv macht? Die Architektur, das Entwicklungspotenzial, die Zeche mit der Bedeutung als Kraftzentrale des Landes. Noll sieht es als Teil seiner Aufgabe, die veränderte Bedeutung des Standorts bekannter zu machen. Auch dass der NRW-Tag und die Kabinettssitzung auf Zollverein stattfinden, zeige die neue Bedeutung des Welterbes.

„Wir sind bemüht, auf die Zeche als Ort des Wandels aufmerksam zu machen“, sagt Noll. „Wie merken aber auch, dass sie eher noch als Ort in den Köpfen der Leute ist, an dem vor 30 Jahren einmal gearbeitet wurde und den man jetzt besichtigen kann.“ Noll will das Quartier deshalb „erlebbarer“ machen. Mit Aktionen wie dem Arschbombenwettbewerb, der im August im Werkschwimmbad der Kokerei stattfand, oder dem Zechenfest Ende September. Das Welterbe, es soll lebendig sein und bleiben – und wie die Rolltreppe nach oben führen.