An Rhein und Ruhr.. Straßen.NRW sieht nach der Katastrophe in Genua keinen Anlass für Sonderkontrollen. Andere Experten schließen Einsturzrisiko hingegen nicht aus.
Die Bilder von der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua rühren an den Urängsten des Menschen. Der Sturz in die Tiefe, die Hilflosigkeit. Und beinahe zwangsläufig stellt man sich die Frage: Könnte das auch in NRW passieren? „Nein“, sagt Susanne Schlenga, Sprecherin von „Straßen.NRW.“ „Die Autobahnbrücken in unserem Bundesland sind sicher.“
Die über 10 000 Straßenbrücken in NRW, davon 3900 Autobahnbrücken, würden alle sechs Jahre einer umfassenden Hauptprüfung mit Spezialgeräten unterzogen.
„Dazu kommen alle drei Jahre einfache Prüfungen, ein Mal jährlich Beobachtungen und zwei Mal jährlich Besichtigungen von unten und oben durch die jeweilige Straßenmeisterei“, erklärt Schlenga.
Mängel werden im sogenannten „Brückenbuch“ elektronisch dokumentiert. „Dazu gibt es ein bundesweit einheitliches Verfahren“, so die Sprecherin. Frühzeitig erkannte Schäden wie Risse oder Roststellen seien kostengünstiger zu beseitigen. Das mittlere Alter von Brücken an Autobahnen liegt in NRW bei 38 Jahren.
Viele davon sind marode, allein 400 Brücken müssen in den kommenden zehn Jahren ersetzt werden. Über 1000 Brückenbauwerke sind laut Verkehrsministerium als „vorrangig nachzuprüfen und zu ertüchtigen“ eingestuft.
Prominente Beispiele: Zum einen die marode Brücke der A1 am Kreuz Leverkusen, die seit längerem saniert wird und für schwere Lkw gesperrt ist. Ein Neubau der Brücke, über die täglich bis zu 120 000 Fahrzeuge rollen, ist geplant. Ähnliches gilt für die Duisburger A40-Rheinbrücke. Rund 100 000 Fahrzeuge nutzen täglich die Brücke. Mittelfristig kann die stählerne Konstruktion instandgehalten werden, langfristig muss ein Neubau her.
Und einige Kilometer weiter sind auf der A40 die Raffelbergbrücke und die Brücke über den Ruhrschifffahrtskanal in die Jahre gekommen und müssen saniert werden. Die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an den Brücken, die in der Nähe des Kreuzes Duisburg-Kaiserberg stehen, werden derzeit bei laufendem Verkehr durchgeführt. Langfristig müssen beide Brücken erneuert werden.
Bis 2050 noch einmal 80 Prozent mehr Güterverkehr
Vor allem bei den Brücken aus den 1960er und 1970er Jahren - ein Großteil der Brücken in NRW wurde in dieser Zeit gebaut - besteht Handlungsbedarf. Sie sind ursprünglich für deutlich geringere Verkehrsbelastungen geplant und gebaut worden. „Der stetig wachsende Anteil des Schwerverkehrs stellt eine starke Belastung der Straßen dar“, erklärt Schlenga.
Bis zum Jahr 2050 sollen nach den bundesweit gültigen Prognosen noch einmal 80 Prozent mehr Güterverkehr auf den Straßen fahren. Ein Sicherheitsrisiko für die Verkehrsteilnehmer besteht laut „Straßen.NRW“ aufgrund der engmaschigen Kontrollen nicht.
Andere Experten halten ein Szenario wie in Genua für durchaus denkbar. „Unsere Brücken verrotten gefährlich, ein Einsturzrisiko kann inzwischen nicht mehr ausgeschlossen werden“, sagte etwa der Bauingenieur und Architekt Richard J. Dietrich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Zwei Prozent mit Note ungenügend
Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) ist der Zustand der Brückenflächen zwar bei über 12 Prozent „sehr gut“ oder „gut“ und bei etwa 75 Prozent „befriedigend“ oder „ausreichend“. Allerdings haben etwa elf Prozent aller Brücken einen „nicht ausreichenden“ Zustand, bei knapp zwei Prozent ist dieser gar „ungenügend“.
Neun Brücken erhielten die schlechteste Zustandsnote. Darunter die Autobahnbrücke der A43 bei Appelhülsen im Kreis Coesfeld und die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp.
In der Vergangenheit blieb auch Deutschland von Brückeneinstürzen nicht verschont. 2016 brach eine im Bau befindliche Autobahnbrücke bei Werneck in Bayern teilweise ein. 14 Menschen wurden verletzt, ein Arbeiter starb. Eine Gerüststütze hatte dem Gewicht der Brücke nicht standgehalten.