Am Niederrhein. . Amtsgericht Dinslaken verurteilt zwei Männer aus Gelsenkirchen und Hünxe zu Bewährungsstrafen. Verteidiger wirft Verein „Kasperletheater“ vor.
Sie halten nichts vom deutschen Staat, aber sein Geld hätten sie gut gebrauchen können: Ausgerechnet das Finanzamt versuchte ein Duisburger Verein, der den „Reichsbürgern“ zugeordnet wird, mit falschen Schecks zu betrügen. Deshalb, nicht wegen ihrer politischen Ansichten, standen zwei Männer aus Gelsenkirchen und Hünxe am Donnerstag in Dinslaken vor Gericht. Sie hätten nicht betrügen wollen, beteuerten beide, nur Mittel gebraucht „für unsere Ziele“.
„Wildkräuterwanderungen“ seien das gewesen, behauptet ein 54-jähriger Koch. Aber damit kam der „Verein für bio-energetisches Leben“, kaum auf eine aktuelle Liste „Reichsbürger“-naher Gruppen des NRW-Innenministeriums. Vielmehr gehe es um „Selbstverwaltung“, sagt die Staatsanwaltschaft, um ein „Leben unabhängig von der Bundesrepublik Deutschland“.
Selbstgebastelte „Schussapparate“ zur Verteidigung
Möglich, dass der Hünxer in seinen Badelatschen der „Kauz“ ist, als den sein Anwalt ihn beschreibt, ein „unpolitischer Mensch“, der „einem Kasperletheater“ aufgesessen sei und sonst gern in den Wald gehe, um Pilze zu sammeln. Nur fand er dort angeblich auch das Material, um Waffen zu basteln.
Sechs fand die Polizei bei einer Razzia im März 2017 in seinem Haus, in dem sich auch sein Restaurant befand. Die Anklage nennt sie „Schussapparate“, mit Schrotmunition habe man mit ihnen schießen können: „Sie sollen der Verteidigung des Vereins gegen Ausländer gedient haben.“ Der 54-Jährige, dem nach der Razzia erst Ehefrau und Sohn und dann die Gäste davonliefen, will lediglich fasziniert gewesen sein von den Waffen, mit ihnen auf Holzscheiben geschossen haben. Gesucht hatten die Beamten bei ihm eigentlich Beweise für den Betrug.
Das Finanzamt betrogen
Für den hat das Amtsgericht Dinslaken die beiden Beschuldigten zu Haftstrafen von 18 bzw. 14 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Schöffengericht ist überzeugt, dass der 54-Jährige und der Gelsenkirchener (39) das Finanzamt um mehr als 62 000 Euro betrogen haben. Der 39-jährige gelernte Steuerfachgehilfe soll dabei die treibende Kraft gewesen sein: Er erstellte mit einer Steuersoftware Verrechnungsschecks zulasten der Finanzverwaltung, jeder über rund 7000 Euro, angeblich für Lohnzahlungen an Vereinsmitglieder. In neun Fällen floss das Geld tatsächlich, wurde, nachdem das auffiel, aber sofort zurückgebucht.
„Besonders schwerer Betrug“ ist das für Berufsrichter Thorsten Schleif, der Angeklagte sieht das anders: „Der Betrug liegt bei den Banken“, betont der Gelsenkirchener, und überhaupt „schöpften Sparkassen das Geld der Kunden ab“. Der 39-Jährige, der sich anwaltlich nicht vertreten lässt, kämpft wortreich um sein Recht. Er fungiert inzwischen als Vorstand des Vereins, aus dem sein Mitangeklagter längst ausgetreten ist, will seinen Sitz alsbald nach Gelsenkirchen verlegen. Er habe „immer gesagt, man solle alle Gesetze befolgen“.
Mehr als 170 000 Euro forderten 25 Mitglieder
Dabei gab es noch einen weiteren Versuch des Vereins, bei Behörden Geld einzutreiben. Mehr als 170 000 Euro forderten 25 Mitglieder im Dezember 2016 von der Gemeinde Hünxe: als „Leibrente (...) für Menschen aus Fleisch und Blut, lebendig und beseelt“. Plus zehn Prozent preußischer Umsatzsteuer.
Eine Straftat ist das nicht. Und Hünxe zahlte auch nicht, trotz Mahnung und trotz beigelegten Amtsblatts aus dem Deutschen Reich.
BEI RAZZIA WAFFEN AUCH IN ESSEN SICHERGESTELLT
Bei der Razzia gegen Mitglieder des „Vereins für bio-energetisches Leben“ im März 2017 in mehreren Städten stellte ein Spezialeinsatzkommando in der Wohnung eines Essener Ehepaars (53 und 52) ebenfalls Waffen sicher. Laut Staatsanwaltschaft Essen dauert das Ermittlungsverfahren an.