Wuppertal. . Auf einem Wuppertaler Friedhof informieren QR-Codes über das Leben von Maria Husemann und Pfarrer Hans Carls. Grabmal 2.0 gibt es immer öfter.
Michael Grütering kennt sich aus auf dem Friedhof in Uellendahl. Schließlich war er jahrelang Pfarrer in der Wuppertaler Herz-Jesu-Gemeinde. „Jetzt noch einmal rechts und dann ist das Grab am sechsten Baum des Weges zu finden.“
Kurz darauf stehen wir vor der Grabstätte der ehemaligen Caritas-Sekretärin Maria Husemann. Während der Zeit des Nationalsozialismus leistete sie auf vielerlei Art Widerstand gegen das NS-Regime. Geboren 1892, gestorben 1975, steht auf dem schlichten grauen Grabstein. Mehr erfährt der Spaziergänger hier erst einmal nicht über diese mutige Frau.
„Virtuelle Erinnerung trägt dazu bei, Friedhöfe zu erhalten“
Aber über der Inschrift ist seit einigen Monaten ein kleines weißes Feld mit schwarzen Strichen zu sehen. „Friedhöfe sind für die Lebenden, nicht für die Verstorbenen“. meint der pensionierte Pfarrer.
Was sind eigentlich QR-Codes?
QR ist das Kürzel für „Quick Response”, also „schnelle Antwort”. Ein QR-Code ist ein zweidimensionaler Strichcode, der mit einem Smartphone decodiert wird. Die Codes gibt es auf Verpackungen, auf Plakaten, an Gebäuden, in Büchern oder in Museen.
Nach demselben Prinzip funktionieren übrigens auch die Strichcodes an der Supermarktkasse: Der Scanner „liest” aus den Streifen, um welches Produkt es sich handelt, und gibt diese Info an das Kassensystem weiter.
So genügt seit letztem November ein Smartphone mit einem QR-Code-Scanner, um alles über die bekannte Wuppertalerin zu erfahren. Interessierte Nutzer werden auf eine entsprechende App weitergeleitet.
Eine Idee, die Grütering wichtig ist und die Schule machen könnte. „Das sehe ich ganz pragmatisch“, meint Grütering. „Virtuelle Erinnerung trägt dazu bei, Friedhöfe zu erhalten und vor allem die Erinnerung an die Menschen, die hier liegen, wachzuhalten.“
Informationen über das Leben von Maria Husemann
Die App ist bestückt mit Infos über das Leben von Maria Husemann. Schüler der St.-Anna-Schule haben die Texte zusammengestellt. Gemeinsam mit einer Kölner Journalistin machte Grütering sich an die Erstellung der QR-Codes. Der Pfarrer weiß von Beispielen aus Städten, wo die virtuelle Erinnerung auf Friedhöfen nicht gewünscht sei. „Vonseiten der Kirchengemeinde St. Laurentius, der der Friedhof gehört, gab es aber keine Skepsis, nur Neugierde“, so der Pfarrer, der auch Vorsitzender der „Stiftung Seelsorge“ ist.
So wird Interessierten über die App jetzt auch Hans Carls, katholischer Priester und Caritas-Geschäftsführer in Wuppertal während des Nationalsozialismus, näher gebracht. Sein Grab ist auf dem höchsten Teil des Friedhofs zu finden. Carls, dem nach der „Machtergreifung“ Hitlers 1933 alle öffentlichen Mittel gesperrt wurden, begann gegen das Regime zu predigen und jüdischen Mitbürgern zu helfen. Der zuckerkranke Carls wurde im November 1941 verhaftet und ins KZ Dachau gebracht.
Schüler texteten für die App
Später wurde auch seine Sekretärin Maria Husemann wegen ihrer Korrespondenz mit Carls inhaftiert und ins KZ Ravensbrück deportiert. Im Frühjahr 1945 wurde das KZ geräumt und die Insassen auf einen Todesmarsch geschickt. Maria Husemann überlebte, gemeinsam mit zwei Jüdinnen. Carls und Husemann kehrten nach Kriegsende nach Wuppertal zurück und wirkten dort weiter.
Die Schüler der St.-Anna Schule, in deren Räume früher die Caritas gewesen ist, freuen sich jetzt darüber, dass ihr Projekt auf so großes Interesse gestoßen ist. „Sie empfanden das als Wertschätzung“, berichtet der pensionierte Pfarrer. Und auch bei Besuchern des Friedhofs kommen die Codes gut an, sie werden regelmäßig genutzt. „Die meisten sagen: Ich möchte genau jetzt, wenn ich vor dem Grab stehe, etwas über diesen Menschen erfahren,“ sagt Gütering.
Wuppertaler Beispiel könnte Schule machen
Die Kosten in Höhe von 1200 Euro für die Anschaffung der QR-Codes übernahmen das Erzbistum Köln, die Caritas und Einzelspender. Und der pensionierte Pfarrer hat bereits zwei weitere Grabsteine im Blick, die er mit QR-Codes ausstatten will. In den nächsten Monaten sollen Erinnerungen an Johann Gregor Breuer, Ideengeber für das spätere Kolpingwerk, und Adolf Brandt, früherer Domkapitular in Wuppertal, in die App fließen.
Das Wuppertaler Beispiel könnte für andere Städte interessant werden. Derzeit gibt es die Codes auf NRW-Friedhöfen vereinzelt, beispielsweise in Dortmund und Höxter. Düsseldorf und Kleve haben die Friedhofssatzung so angepasst, dass QR-Codes gestattet sind. Bundesweit wird das „Grabmal 2.0“ immer häufiger, nicht nur für bekannte Personen, auch für „Normalsterbliche“. Möglich ist auch, dass die App auf eine so genannte Kondolenzseite weiterleitet.
Keine Codes in Moers geplant
In Moers sind die Codes derzeit nicht geplant. „Das Grab von Hanns Dieter Hüsch käme aber am ehesten in Frage“, so Stadtsprecher Thorsten Schröder. Auch in Essen ist die Idee neu. Für den Parkfriedhof, wo sich das Ehrengrab des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann befindet, sei das vorstellbar, so Grün- und Gruga-Sprecher Eckhard Spengler. „Dorthin kommen viele Spaziergänger“, erklärt er und ergänzt. „Alles müsste aber zunächst mit der Stadt und den Grabbesitzern abgesprochen werden.“