Detlef Schönen erklärt neue Entscheidungen des Presserats und spricht über die Trennung von Werbung und redaktioneller Inhalte der Zeitung.

Es war nicht gerade wenig zu tun. Mehr als 100 Beschwerden lagen in der vorigen Woche auf dem Tisch des Deutschen Presserates in Berlin. Mehr als 100 Mal hatten sich Privatpersonen und Vereinigungen über Inhalte in Presseprodukten beklagt, Print wie online. Rund die Hälfte der Fälle wiesen die Beschwerdeausschüsse als unbegründet zurück. Zehn Mal allerdings erteilten sie eine öffentliche Rüge; die schärfste Sanktion, die der Presserat aussprechen kann. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 waren es 21 Rügen.

Der Presserat ist ein Organ der Selbstkontrolle. Es gibt ihn seit 62 Jahren, und er wird getragen von zwei Verleger- und zwei Journalistenorganisationen. Jedermann darf ihn einschalten - wenn der Verdacht besteht, dass die Berufsethik des Journalismus verletzt worden ist. Diese Leitplanken für Gewissen, Anspruch und Auftrag sind im Pressekodex niedergelegt (presserat.de), den die meisten Zeitungen anerkennen, auch die NRZ, die mit ihrem Kompass den Grundsätzen darüber hinaus aber ihr eigenes Gepräge gegeben hat (nrz.de/kompass). Presserat und Medien-Ombudsleute arbeiten mithin auf demselben Feld; der Presserat unter der Überschrift Kontrolle, Ombudsleute mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation.

Ein frei erfundener Anschlag

Zu den aktuellen Rügen zählen Fälle, die Schlagzeilen gemacht haben. So hätte in einer Boulevard-Zeitung über den freigelassenen Gladbeck-Geiselnehmer Degowski nicht mit einem aktuellen Foto berichtet werden dürfen, weil das die Resozialisierung erschwert. Ebenso falsch sei es gewesen, noch einmal das Foto des verblutenden Jungen zu zeigen, den Degowski vor 30 Jahren erschossen hat. Dies verletze den Anspruch der Angehörigen auf Opferschutz. Eine Rüge erhielt auch ein Blog, der über einen Terroranschlag in Mannheim mit 136 Toten berichtet hatte. Dieser Anschlag war frei erfunden, was sich allerdings erst hinter einer sogenannten Bezahlschranke offenbarte.

Immer wieder betreffen Beschwerden die Ziffer 7 des Pressekodex, die Trennung von Anzeigen und redaktionellem Inhalt. Diese Grenze einzuhalten, berührt nichts weniger als die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Und die liegt auch NRZ-Lesern am Herzen.

Anzeigen suchen Nähe zur Zeitungsanmutung

So hat sich zufällig zeitgleich ein Leser aus Duisburg an mich gewandt. Ihm war Anfang Juni im Blatt eine Seite „Gesundheit Spezial“ aufgefallen, die von der Deutschen Homöopathie Union stammte und ähnlich wie eine Zeitungsseite aufgemacht war. Die Seite verstieß, wie auch schon der Leser richtig vermutete, nicht gegen NRZ-Kompass und Pressekodex, weil sie sich in der Gestaltung abhob, deutlich als Anzeige markiert und mit einem eigenen Impressum versehen war. Gleichwohl ist in solchen Fällen immer Aufmerksamkeit geboten, weil manche Anzeigen die Nähe zur Zeitungsanmutung bewusst suchen.

Die eindeutige Trennlinie einzuhalten, ist da umso wichtiger. Der kritische Blick der Leserschaft hilft dabei.