An Rhein und Ruhr. . Der Insekten-Bestand ist dramatisch gesunken. Nicht nur Naturschützer sind alarmiert. Doch jeder kann den Nützlingen helfen – wir geben Tipps.

Wer sich früher im Sommer in seinen Garten setzte, hatte viel zu gucken und zu horchen: es summte, es surrte, es zwitscherte, es flatterte – manchmal bis zur Lästigkeit. Rund 9000 Insektenarten gibt es allein in NRW. Doch mittlerweile ist es schockierend still geworden in der Natur um uns herum. Forscher verzeichnen einen dramatischen Rückgang nicht nur bei der Anzahl der Insekten, sondern auch bei der Vielfalt der Arten. Auch die Bundesregierung ist alarmiert und sieht dringenden Handlungsbedarf (die NRZ berichtete gestern).

Als Ursache für den Rückgang der Populationen gelten unter anderem die Zerstörung von Lebensräumen und der Einsatz von Pestiziden. Ähnlich negative Entwicklungen sind beim Bestand der Vögel zu erkennen. Denn dort, wo die Insekten schwinden, sind auch viele Vögel bedroht (sieht Text unten).

Doch was kann man für den Schutz und Erhalt von Vögeln, Insekten und Co. tun?

Die Gärtner

Steinwüsten in Vorgärten, Kiesbeete, penibel rasierte Rasenflächen – das haben viele und das mögen viele, weil es übersichtlich und pflegeleicht ist. Es ist aber auch das Gegenteil von dem, was man unter einem insekten- und vogelfreundlichen Lebensraum versteht.

Wer in seinem Garten auf Pflanzen statt Steinwüsten setzt, schafft Lebensraum für Insekten.
Wer in seinem Garten auf Pflanzen statt Steinwüsten setzt, schafft Lebensraum für Insekten. © Carsten Rehder

Was der stattdessen bieten sollte? Zum Beispiel Wildsträucher oder im besten Falle ganze Hecken aus heimischen Arten wie Hasel, Schlehe, Holunder, Weißdorn, Pfaffenhütchen oder Wildrose. Oder Wildblumenbeete, ebenfalls aus heimischen Sorten. Und natürlich sind in einem naturnahen Garten Pestizide, Düngemittel und Torf absolut tabu.

Was noch? „Nicht immer alles akribisch aufräumen“ rät Birgit Königs, Sprecherin des NRW-Landesverbandes des Naturschutzbundes (Nabu). Was für die einen Unordnung ist, bietet den anderen nämlich Lebens- und Schutzraum. Wie man das bewerkstelligt? „Totholz in einer Ecke des Gartens schichten, Laub liegen lassen oder vom Rasen immer einen Teil ungemäht stehen lassen.“ Und wer viel Platz hat, könnte eine Weide pflanzen. „Denn die Weide kann unglaublich viel.“ Weiden würden bis zu mehrere Hundert Arten von Insekten anziehen. Also: viel Leben im Baum. „Man muss sie ja nicht direkt vor der Terrasse haben,“ sagt die Naturschützerin.

Aber es geht natürlich auch kleiner: Lavendel, Thymian, Salbei, Minze sind Lieblinge der Insekten, duften gut, lassen sich vielfältig in der Küche verwenden – „und passen selbst auf einen kleinen Balkon in der Stadtwohnung.“ Denn zum Handeln aufgefordert ist mittlerweile jeder: „Die Entwicklung ist so dramatisch, da muss man an alle Garten- und Balkonbesitzer appellieren, tätig zu werden“, so Königs.

Die Landwirte

Besonders angewiesen auf Insekten und Bienen sind die Landwirte. „Es liegt im ureigenen Interesse der Landwirtschaft, Insekten zu schützen. Ein Rückgang der Insektenpopulation muss deshalb auch die Landwirtschaft beunruhigen“, sagt Marilena Kipp vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV).

Zwischen Pestizid- und Gülleeinsatz müssen die Landwirte Auflagen erfüllen. So führte die Europäische Union 2015 das „Greening“ ein, um die Diversität zu fördern. Diese Regelung verpflichtet Betriebe mit mehr als 15 Hektar Ackerfläche dazu, fünf Prozent ihrer Ackerfläche als ökologische Vorrangflächen vorzuhalten und zu bewirtschaften. Konkret heißt das: Die Landwirte müssen einen Teil ihrer Felder zum Beispiel mit Blühstreifen bepflanzen.

Pestizide sind unter anderem schuld am Insektensterben.
Pestizide sind unter anderem schuld am Insektensterben. © Patrick Pleul

Um hier für zusätzliche Motivation bei den Landwirten zu sorgen, werden diese Grünflächen je nach ökologischer Wertigkeit unterschiedlich gewichtet, erklärt Kipp. „Brachen mit Honigpflanzen, die für Insekten besonders nützlich sind, werden höher gewichtet als beispielsweise der Anbau von Zwischenfrüchten.“ Bedeutet konkret: Entscheidet sich der Landwirt für den Anbau von Zwischenfrüchten, muss er mehr Fläche dafür zur Verfügung stellen als bei einer Brache mit Honigpflanzen.

Ganz wichtig ist hierbei: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist auf diesen Flächen untersagt. Und allgemein achten die zuständigen Behörden darauf, welches Pestizid im Alltag zu welchem Zeitpunkt eingesetzt werden darf.

Die Kommunen

Direkt neben einer Düsseldorfer Hauptverkehrsstraße beobachteten die Mitarbeiter des Gartenamtes neulich eine Garten-Blattschneiderbiene, wie sie am blühenden Salbei saugte.

Man darf das als Erfolg verbuchen, denn bis vor ein paar Jahren hätte es sie dort nicht gegeben. Damals war dort noch Rasen, doch jetzt sprießt auf dem städtischen Grünstreifen eine Wildblumenwiese. Eine von einigen in der Stadt, Tendenz steigend. Das gehört zum Konzept, und das lautet: mehr Lebensraum für Insekten schaffen.

Dazu zählt auch die Pflege und Förderung von Obstbaum- und Feuchtwiesen. „Das Thema ist bei uns sehr präsent“, sagt Norbert Richarz, Abteilungsleiter der Grünplanung bei der Stadtverwaltung in der Landeshauptstadt.

Zweites Beispiel: Auch Essen hat als Grüne Hauptstadt 2017 eine Reihe von Grünstreifen an Straßen durch naturnahe Staudenpflanzen ersetzt. „Überhaupt hatten viele Aktionen der Grünen Hauptstadt Bienen und Insekten zum Thema“, sagt Pressereferentin Christina Waimann. „Viele Menschen sind da für die Problematik sensibilisiert worden.“ Aktuell arbeitet die Verwaltung an einem Aktionsplan für den Vogel-, Bienen- und Insektenschutz in der Stadt.