An Rhein und Ruhr. . Am „Tag der Trinkhallen“ im August gibt es in 50 Büdchen ein Kulturprogramm. Fahrradrouten führen bis zu den Veranstaltungsorten am Niederrhein.
Kiosk, Trinkhalle, Büdchen – was sagt denn wohl Moritz Hußmann zu seinem Laden in Wesel? „Draußen steht ‘Verkaufshalle’ dran, aber hier am Niederrhein sagt man ‘Büdschen’. Als Kind hat der 33-Jährige hier schon sein Taschengeld ausgegeben. Heute ist er der Chef, verkauft Zeitungen, Zigaretten, Shampoo und die bunte Tüte. Und am 25. August gibt es für seine Kunden noch eine Portion Kultur gratis. Denn eine Jury hat Hußmanns „Mo’s Jump In“ („Mo“ steht für Moritz, und „Jump In“ heißt’s, weil die Kunden mal eben reinspringen) unter den vielen Bewerbern ausgewählt: als eine von 50 Programm-Buden beim „Tag der Trinkhallen“.
Das „Büdchen“ hat in unserer Region eine lange Tradition. Die ersten Trinkhallen wurden vor mehr als 150 Jahren von Mineralwasseranbietern in Industriestädten gebaut, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Leitungswasser war ungenießbar, und die Arbeiter sollten ihren Durst nicht ausschließlich mit Bier löschen. Nachzulesen ist die Geschichte des Kiosks auf der Homepage des „Tags der Trinkhallen“ unter dem Stichwort „Budenkult“.
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Da erfährt man, dass sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Angebot erweiterte: Tee, Kaffee, Milch kamen hinzu, dann Zeitungen und Alkohol. Bis zur Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes im Jahr 1996 boten die Trinkhallen die einzige Möglichkeit, nach 18.30 Uhr einzukaufen. Heute haben Supermärkte lange auf, Tankstellen machen den Kiosken Konkurrenz – trotzdem konnten sich noch 8000 Büdchen behaupten. Ihr Alleinstellungsmerkmal: Nur hier nehmen sich die Leute noch Zeit für ein kleines Schwätzchen. Gerade für Ältere und Alleinstehende ist das oftmals der einzige zwischenmenschliche Kontakt am Tag.
„Ein guter Mix aus Bekanntem und Neuem“
Das sind gute Gründe, Büdchen, Kioske und Trinkhallen nach 2016 in diesem Jahr zum zweiten Mal zu feiern. „Nach der Premiere haben wir unheimlich viel Feedback bekommen“, sagt Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr-Tourismus-Gesellschaft. „Wir freuen uns, den Besucherinnen und Besuchern beim Tag der Trinkhallen 2018 einen guten Mix aus Bekanntem und Neuem zu präsentieren.“
Neu ist, dass sich die teilnehmenden Trinkhallen in diesem Jahr noch weiter über das Ruhrgebiet hinaus verteilen als vor zwei Jahren: bis nach Wesel und Kamp-Lintfort im Westen, bis nach Hamm und Ahlen im Osten. „Das Fortbewegungsmittel der Wahl soll beim Tag der Trinkhallen 2018 das Fahrrad sein“, sagt Biermann. Über das Radwegenetz des „radrevier.ruhr“ können auch die Buden am Rande des Ruhrgebiets angesteuert werden. Dazu konzipieren Ruhrtouristiker zusammen mit den Ortsgruppen des ADFC spezielle Fahrradrouten.
Private Filme aus den 50er Jahren
Konzerte, Lesungen und Comedy wird es wieder geben. Neu sind die Programmsparten „Filmbude“ und „Fußball“. An den Trinkhallen, die zur „Filmbude“ werden, sind alte Familienfilme der 1950er bis 1980er Jahre zu sehen, die von Bürgern eingereicht wurden. An anderen Buden soll es Lesungen und Vorträge von Fußball-Legenden und ein großes Fußball-Quiz geben.
Moritz Hußmann aus Wesel weiß noch nicht, was in seinem „Mo’s Jump In“ am 25. August zu erleben sein wird. Das wird erst in einigen Wochen verraten. Vor zwei Jahren war das Satire-Duo „Onkel Fisch“ da. „Super-Stimmung, tolles Wetter“, erinnert sich Hußmann. Und weil an diesem Tag das Ausschank-Verbot für Kioske gelockert wird, hat’s auch in der Kasse geklingelt. 450 Leute waren da. „Wir sind ein Kult-Kiosk“, sagt Hußmann. „Nicht nur am Tag der Trinkhallen“. Gut, dass es sowas noch gibt.
Infos zum 2. „Tag der Trinkhallen“ am 25. August
Der „Tag der Trinkhallen“ fand im Jahr 2016 zum ersten Mal statt. Am 25. August 2018 feiert die Region zum zweiten Mal ihre Budenkultur.
50 Kioske bekommen an diesem Tag ein von der Ruhr Tourismus GmbH (RTG) finanziertes und organisierten Kulturprogramm geschenkt. Dafür gibt die RTG 2500 Euro pro Bude aus.
Unter den 50 Auserwählten sind Trinkhallen in 21 Städten und Kreisen im Ruhrgebiet und am angrenzenden Niederrhein. Duisburg (6), Essen (7) und Dortmund (6) stellen die größte Anzahl Programm-Buden.
Eine Jury hat aus allen Bewerbungen ausgewählt. Ein Drittel war schon vor zwei Jahren dabei. Ein weiteres Drittel hatte sich 2016 beworben, war dann aber nicht im Programm. Und etwa ebenso viele Buden haben sich nun zum ersten Mal angemeldet und die Jury direkt überzeugt.
Es können sich auch noch weiterhin Kioske mit einem eigenen Programm am „Tag der Trinkhallen“ beteiligen. Infos gibt es unter www.tagdertrinkhallen.de