Haan. . Der schwer verletzte Innogy-Manager ist wieder zu Hause. Eine Mordkommission arbeitet sich durch einen Berg an Spuren. Bislang ohne Ergebnis.
Es ist wohl einer der mysteriösesten Fälle, die Polizei und Staatsanwaltschaft derzeit in Deutschland beschäftigen. Vor 40 Tagen wurde ein Top-Manager des Essener Energieunternehmens Innogy an seinem Wohnort in Haan bei Düsseldorf überfallen und mit Säure schwerst verletzt. Seitdem hat die Polizei in dem kleinen Park am Karl-August-Jung-Platz wohl jeden Grashalm durchleuchtet, arbeitet sich die Mordkommission „Säure“ an Dutzenden Einzelhinweisen ab, doch bislang ohne eine, zumindest offiziell, heiße Spur zu bekommen.
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Vor einer Woche konnte Bernhard G. (51) aus der Spezialklinik in Duisburg entlassen werden, über seinen Gesundheitszustand macht auch die zuständige Wuppertaler Staatsanwältin Dorothea Tumeltshammer keine Angaben.
Umfangreiches Videomaterial
Wohl aber darüber, dass das Opfer gerade eben erst erneut über die Ereignisse am 4. März 2018 befragt werden konnte, bestätigt Tumeltshammer. Bernhard G. habe seine persönliche Situation an diesem Morgen des Angriffs geschildert, so wie er es kurz nach der Tat bereits im Krankenhaus gemacht habe. „Wir konnten aus den Schilderungen keine neuen Erkenntnisse ziehen“, sagt die Staatsanwältin. Soll heißen: G. hat keinen erkannt, kann die Angreifer nicht näher beschreiben, kann sich keinen Reim auf den Angriff machen.
Nun erhoffen sich die Ermittler der Düsseldorfer Polizei neue Impulse von der Auswertung umfangreichen Videomaterials, wie ein Sprecher bestätigt. Sowohl Privat- wie auch Geschäftsleute hätten an Häusern installierte Überwachungskameras und Alarmanlagen zur Verfügung gestellt. „Wir versuchen anhand des Videomaterials, den Weg des Opfers zurückzuverfolgen, ob irgendetwas Ungewöhnliches zu sehen ist“, sagt Tumeltshammer.
Tathergang ist relativ unstrittig
Relativ unstrittig ist bislang eigentlich nur der rekonstruierte Tathergang. An jenem Sonntagmorgen ist der Manager in dem gediegenen Villenviertel mit altem Baumbestand und ruhigen Seitenstraßen auf dem Heimweg vom Bäcker, als er auf einem asphaltierten Fußweg gegen 9 Uhr von zwei unbekannten Männern zu Boden gerissen wird. Sie überschütten das Opfer mit Säure und flüchten in unbekannte Richtung.
Bernhard G. kann noch nach Hause laufen und den Notarzt rufen. Mit einem Hubschrauber wird er in die Klinik gebracht. Lebensgefahr konnten die Ärzte am Sonntagabend zwar ausschließen. Unter welchen gravierenden Folgen durch bleibende Schäden der Mann, und mit ihm seine Familie, in Zukunft zu leiden haben, kann man nur erahnen.
Spekulationen in alle Richtungen
Ermittlerteams befragten in der Woche darauf am Tatort und im nahen Umfeld Passanten, die dort unterwegs waren, ob sie etwas Ungewöhnliches zur Tatzeit beobachtet oder möglicherweise gehört haben, ohne konkreten Erfolg.
Die Angaben des Opfers blieben so vage, dass nicht mal ein Phantombild von den Tätern, mutmaßlich zwei Männer zwischen 20 und 30, erstellt werden konnte.
Viele Spekulationen aber keine heiße Spur
Dafür jedoch schießen die Spekulationen ins Kraut. Eine Boulevardzeitung bringt einen Zusammenhang mit den Protesten von Umweltschützern gegen den RWE-Braunkohletagebau im Hambacher Forst ins Gespräch, weil Bernhard G. vor seiner Tätigkeit bei Innogy Vorstandsmitglied beim RWE war. Das jedoch wird von Polizei und Staatsanwaltschaft schnell als komplett spekulativ abgetan: „Es gab weder Drohbriefe vor der Tat, noch ein Bekennerschreiben danach“.
In anderen Berichten sollen die beiden Täter „südländisch“ ausgesehen haben, wieder andere sehen die Tat im privaten Bereich. Am Tatort sei die DNA einer Frau gefunden worden, heißt es da. „Das ist ein öffentlicher Park, da wird jede Menge DNA gefunden, auch von Frauen“, sagte Staatsanwältin Tumeltshammer im Gespräch mit der NRZ.
Arbeit für Monate
Viele Hinweise seien nach der Plakataktion der Polizei in Haan und Umgebung eingegangen. Aus einigen Hinweisen hätten sich neue Ermittlungsansätze ergeben. Allerdings sei die Arbeit der Ermittler mühselig: „Da kommen auch Hinweise auf Autos oder Personen, die den Zeugen verdächtig sind, und dann stellt sich heraus, dass es der Student aus Berlin war, der hier seine Oma besucht hat“, schildert Tumeltshammer.
Ob die Aufarbeitung der Spuren zur Aufklärung der Tat führen, sei derzeit offen. Dieses wird allerdings noch Monate in Anspruch nehmen, so die Staatsanwältin. Erst wenn alle vorhandenen Spuren abgearbeitet sind, wird der Fall als ungelöst abgeschlossen, gleichwohl aber nicht zu den Akten gelegt, sondern in gewissen Abständen immer wieder auf neue Erkenntnisse überprüft. Immerhin handele es sich um ein versuchtes Tötungsdelikt, das im Moment als versuchter Mord gewertet wird.
Es war nicht die erste Attacke auf Bernhard G.
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Vor einigen Jahren war Bernhard G. übrigens schon einmal beim Joggen zusammengeschlagen worden. Bis heute blieb ungeklärt, wer der Täter war.