Dortmund. . NRW-Ärzte verschreiben im Deutschlandvergleich die meisten Antibiotika – und die Patienten erwarten es, auch wenn es unnötig ist.
Die Ärzte in Nordrhein-Westfalen verschreiben besonders oft unnötig Antibiotika. Nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit liegt das Bundesland in Deutschland auf einem Spitzenplatz. Fast die Hälfte der Bürger hat 2017 mindestens einmal Antiobiotika bekommen – obwohl 17 Prozent der Befragten angaben, nur eine Erkältung gehabt zu haben. Hier hilft ein Antibiotikum in der Regel nicht, da es nur gegen Bakterien wirkt, nicht gegen Viren.
Die unnötige Einnahme ist sogar gefährlich, da Bakterien Resistenzen entwickeln können. Erkrankt man an solche einem veränderten Bakterium, hilft das Medikament nicht mehr. Auch „Krankenhauskeime“ entstehen auf diese Weise.
Laut der Umfrage erwartet dennoch jeder zehnte Patient in NRW, dass der Arzt ihm vorsorglich ein Antibiotikum verschreibt, damit seine Erkrankung gar nicht erst schlimm wird. Fast zwei Drittel erwarten Antiobiotika vom Arzt, wenn Erkältungsbeschwerden nicht von selbst besser werden. Junge Erwachsene setzen dabei stärker auf Penicillin und Co. als die Menschen ab 60 Jahren.
Fortbildung für Ärzte ist bereits angestoßen
Mag sein, dass manche Ärzte dem Druck der Patienten nachgeben, oder sie sind selbst nicht gut informiert“, sagt Sigrid Averesch-Tietz, Sprecherin des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Das Problem ist länger bekannt, darum haben der Verband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen Mitte 2017 das Fortbildungsprogramm „Resist“ gestartet, zu dem sich in NRW 600 Ärzte angemeldet haben.
Im Mittelpunkt steht das Gespräch mit dem Patienten, der falsche Erwartungen hegt – nach Ansicht vieler Experten das Kernproblem. So sagt Frank Verheyen, Apotheker bei der Techniker Krankenkasse: „Grundsätzlich ist die Ärzteschaft gut ausgebildet, eine bessere Kommunikation kann das Problem der unnötigen Verschreibungen schon handlen.“ Man spricht bei dieser Art von Überzeugungsarbeit auch von „gemeinsamer Entscheidungsfindung“ von Arzt und Patient. „Dieses große Thema ist hier noch nicht angekommen“, sagt Verheyen. Wenn der Patient nicht mitgenommen werde und ein Antibiotika wolle, so werde er es auch bekommen. „Wenn nicht bei diesem, dann beim nächsten Arzt.“
Falsche ökonomische Anreize
„Ich bin überzeugt, dass die Ärzte das erforderliche Fachwissen haben“, sagt auch Michael Wessels, Gesundheitsökonom an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. „Aber es ist vorstellbar, dass einige gefühlt zu wenig Zeit haben. Es ist anstrengend und dauert, den Patienten zu überzeugen, dass Antibiotika in seinem Fall nicht helfen mögen. Soweit Ärzte mit Pro-Kopf-Pauschalen bezahlt werden, wird es als finanziell unattraktiv empfunden, sich viel Zeit zu nehmen. Und der selbstständige Arzt kann es sich vielleicht auch nicht erlauben, dass er unzufriedene Kunden hat. Das sind zwei ökonomische Fehlanreize. Der Großteil aller Ärzte handelt aber absolut verantwortungsbewusst.“