An Rhein und Ruhr. . Schulministerin Gebauer nimmt Eltern in die Pflicht. Islamwissenschaftlerin Kaddor ist für robusteres Vorgehen. Die Jüdische Gemeinde beklagt Untätigkeit.

In der Debatte um einen zunehmenden Antisemitismus an Schulen nimmt NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) die Eltern in die Pflicht. Die Vermittlung demokratischer Grundwerte sei nicht allein die Aufgabe von Schule, sagte sie der NRZ. „Auch das Elternhaus ist hier gefordert, wenn es darum geht, junge Menschen vor Radikalisierung und Extremismus zu schützen.“

Vertreter von jüdischen Gemeinden beklagen eine Zunahme antisemitischer Vorfälle auch in NRW. Irith Michelsohn, die Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde in Bielefeld, berichtete auf Anfrage von „vereinzelten Beschimpfungen“ an weiterführenden Schulen. „Schüler trauen sich nicht mehr, mit der Kippa in der Straßenbahn zu fahren“, sagte sie. Vor fünf Jahren sei das Tragen der jüdischen Kopfbedeckung noch kein Problem gewesen.

Michelsohn betont aber, dass sie den zunehmenden Antisemitismus „nicht an muslimischen Flüchtlingen“ festmachen wolle. Antisemitismus gehe von Zuwanderern wie von Einheimischen aus. Allerdings weist sie auch darauf hin, dass manche Flüchtlinge aus Ländern wie etwa Syrien den Antisemitismus „mit der Muttermilch“ aufgesogen hätten. „Wir müssen Integrationspolitik leisten, einen Dialog führen und die Menschen informieren“, fordert Michelsohn.

Klage über Untätigkeit von Behörden

Wie das NRW-Schulministerium kürzlich mitteilte, wurden zwischen Anfang 2014 und Ende 2017 landesweit 61 antisemitische Straftaten an Schulen gemeldet, von denen 47 dem rechten Spektrum und zehn dem „Phänomenbereich Ausländer“ zugeordnet wurden.

Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, beklagt die Untätigkeit deutscher Behörden und der muslimischen Gemeinden. Im Mai vergangenen Jahres hätten in Düsseldorf bei einer eigens anberaumten Veranstaltung rund 30 Schüler über antisemitisches Mobbing berichtet. „Das Schulverwaltungsamt war auch dabei.“ Noch im Dezember habe die Behörde keine Schritte in die Wege geleitet. Und „die muslimischen Gemeinden nehmen das Problem absolut nicht ernst genug“, ärgert sich Szentei-Heise.

Die Islam-Wissenschaftlerin Lamya Kaddor fordert ein robusteres Vorgehen an den Schulen. „Hassmotivierte Taten, egal ob antisemitisch, antiziganistisch, antiislamisch oder homophob sollten je nach Schwere des Vergehens notfalls mit Schulverweisen geahndet werden“, sagte sie der NRZ. Eltern sollten zudem verpflichtet werden, zu dokumentieren, dass sie eine entsprechende Schulordnung gelesen haben. „Schüler und Eltern müssen merken, dass solche Taten Folgen haben“, so die Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes.

Zudem warb Kaddor für geänderte Lehrpläne: „Wir brauchen eine Demokratieerziehung in unseren Schulen – in einem neuen Schulfach verpflichtend für alle – und nicht nur Extraprojekte dazu.“ In einem solchen Unterricht müsse der Umgang mit der zunehmenden Vielfalt in diesem Land ebenso wie mit Hass und Vorurteilen thematisiert werden. „Politikunterricht, so wie er heute oft aussieht, reicht nicht aus“, so die Islamwissenschaftlerin.