Essen/Hagen. . Die Menschen in Deutschland haben genug davon, dass die Uhren umgestellt werden. Darum ist eine Kehrtwende vom Prinzip nicht schnell umsetzbar.
Der Mann heißt Herbert Reul. Er ist Innenminister in NRW. Er ist CDU-Politiker. Und er ist erklärter Gegner der Zeitumstellung. Im „Münchner Merkur“ gab es unlängst eine Geschichte mit dem Titel: „CDU-Politiker warnt vor ‘Tod durch Zeitumstellung’“ – gemeint war Herbert Reul und sein beinharter Kampf für die ewige Winterzeit. Tatsächlich gibt es viele Reuls hierzulande: Menschen, die sich dagegen wehren, dass am Sonntag die Uhren wieder eine Stunde vorgestellt werden. Fragen und Antworten:
Was sagen die Umfragen?
Die Zeitumstellung hat unzählige Gegner. Die Zahlen sind eindeutig. Nach einer Umfrage, die das Statistik-Portal Statista unter 18- bis 70-Jährigen durchgeführt hat, sind nur 15 Prozent der Deutschen dafür, dass die Uhren vor- und wieder zurückgestellt werden. Kurzum: Eine gewaltige Mehrheit der Befragten ist dafür, dass die Uhren unangetastet bleiben.
Sommer- oder Winterzeit?
Überraschung! Die Bürger wollen keinesfalls, dass in Deutschland die Uhren wieder auf die alte Winterzeit justiert werden. Sie haben genug von der Winterzeit. Sagenhafte zwei Drittel wollen, dass es hierzulande bei der Sommerzeit bleibt, und zwar zwölf Monate im Jahr. Mediziner und CDU-Europaabgeordneter Peter Liese aus Meschede befürwortet dagegen eine dauerhafte Winterzeit: „Vor allem für Kinder ist das Tageslicht am Morgen biologisch am wichtigsten. Sie sollten nicht drei Monate lang im Dunkeln zur Schule gehen.“
So Argumentiert Ihr gegen die Zeitumstellung
Wer entscheidet überhaupt?
Eine Abschaffung der Zeitumstellung, dies betonte die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc im Februar, könne es nur europaweit geben. Der Grund liegt auf der Hand: Verschiedene Zeitzonen nerven – nicht zuletzt die Wirtschaft, der an einer Vereinheitlichung gelegen ist, um Probleme im Binnenmarkt zu vermeiden.
Wie ist die Meinung der EU-Parlamentarier?
Da bleiben keine Zweifel. Nachdem mehrmals im EU-Parlament über das Thema Zeitumstellung beraten worden war, wurde vor wenigen Wochen erstmals abgestimmt: 384 EU-Abgeordnete votierten für die Abschaffung der Sommerzeit, aber nur 154 dagegen. Allerdings ist mit ihrem Votum noch keine Entscheidung verbunden.
So argumentiert Ihr für die Zeitumstellung
Wie ist der Stand der Dinge?
Nach der Abstimmung im EU-Parlament hat die EU-Kommission den Auftrag bekommen, die Vor- und Nachteile der Zeitumstellung zu prüfen. Superschnell wird die Sommerzeit kaum kassiert werden können, denn zunächst muss, nachdem das Für und Wider der Zeitumstellung ausreichend diskutiert wurde, eine gesetzliche Grundlage erarbeitet werden. Das kann dauern. „Mindestens zwei Jahre“, kalkuliert Peter Liese für einen entsprechenden Prozess. Voraussetzung: „Die Mitgliedsstaaten müssen politischen Druck aufbauen.“
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In Berlin sieht man dafür offenbar keine Notwendigkeit, was nicht nur Liese sondern auch Reul befremdet. „Man kann schon erwarten, dass CDU-Funktionsträger in der Bundesregierung einen eigenen Parteitagsbeschluss umsetzen“, kritisiert er. Liese hat Verständnis dafür, dass CDU vorgestern im Bundestag einen Antrag der FDP zur Abschaffung der Sommerzeit ablehnte, weil das Ansinnen von der Opposition kam, fordert nun aber, dass sich die eigene Fraktion intensiver mit dem Thema auseinandersetzt.
Seit wann gibt es die Sommerzeit in Deutschland?
Erstmals eingeführt wurde sie bereits während des Ersten Weltkriegs. Zwischen den Kriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Umstellung jedoch wieder abgeschafft. Erneut eingeführt wurde sie im Jahr 1980.
Warum wurden die Uhren in Deutschland 1980 wieder auf Sommerzeit umgestellt?
Stichwort: Ölkrise – in den 70er Jahren das große Thema. Damals gewann der Wunsch, Energie zu sparen, an Relevanz. Und seinerzeit hofften die Verantwortlichen, dass mit der neuen Zeit auch weniger Strom verbraucht wird. Ein Trugschluss, wie man heute wissen will. Weil es abends eine Stunde länger hell ist, sinke der Stromverbrauch tatsächlich, aber da morgens zugleich länger geheizt werde, sei der Energiespareffekt nicht groß.
So gehen Tiere mit der Finsternis um
Was spricht gegen die Umstellung?
Sie ist schon deshalb lästig, weil es Zeit kostet, manche Uhren per Hand umstellen zu müssen. Gegner der Sommerzeit erklären überdies, dass die körperliche Anpassung nicht einfach sei. Wer morgens um sechs Uhr aufstehen müsse, steht eigentlich schon um fünf Uhr auf. Deshalb stimme der Rhythmus nicht mehr, die innere Uhr ticke nicht synchron. Studien werden zitiert, wonach in den ersten drei Tagen nach der Umstellung die Zahl der Herzinfarkte steige. Weitere Stichworte: Schlafprobleme, Müdigkeit, Appetitlosigkeit.
Gibt es weitere Argumente gegen die Zeitumstellung?
Die Tiere. Kühe, so die Umstellungsgegner, interessiere die Umstellung herzlich wenig. Sie wollen täglich zur gleichen Zeit gemolken werden. Und die Jäger warnen ergänzend davor, dass für die Autofahrer die Gefahr steige, frühmorgens in einen Wildunfall verwickelt zu werden.
Was spricht für die Sommerzeit?
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Grundsätzlich bringt die Sommerzeit abends eine Stunde mehr Helligkeit. „Der durchschnittliche Deutsche steht gegen 6.20 Uhr auf“, schreibt die FAZ. „Ohne Zeitumstellung hätte er da im Sommer schon zwei Stunden Sonnenlicht verpasst“. Und weiter: „Wenn er aber abends kurz nach 23 Uhr ins Bett geht, wäre es schon fast zweieinhalb Stunden dunkel.“ Und diese zusätzliche Stunde Sonnenlicht, finden die Befürworter, macht das Leben lebenswerter. Es sei ja nicht allein so, dass sich bei Tageslicht besser arbeiten lasse, es sei auch so, dass im Sommer die langen Abende dazu einladen, draußen etwas zu unternehmen.
Was spricht gegen die Winterzeit?
Winterzeit mit den langen dunklen Nachmittagen mache krank, Sommerzeit dagegen wirke gegen Depressionen, sagen Gesundheitsfachleute. Wenn es abends länger hell ist, geschehen möglicherweise weniger Unfälle, betonen Verkehrsexperten. Branchen wie Land- und Forstwirtschaft sowie Tourismus könnten von längeren Abenden profitieren.
Was ist von den Studien zu halten?
Die Ergebnisse sind nicht einheitlich. Je nach Interessenlage werden Studien bemüht, die dies und jenes belegen. Gibt es wissenschaftlich eindeutige Befunde? Laut einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung im Bundestag seien die Belastungen durch den „Mini-Jetlag“ kleiner als befürchtet. Die Autoren dieser selbstständigen wissenschaftlichen Einrichtung fanden keinen belastbaren Hinweis auf negative gesundheitliche Effekte.