Emmerich am Rhein. . Ein 15-sekündiger Werbespot des Emmericher Süßwarenriesen mit einer kopftuchtragenden Frau wird im Netz heftig diskutiert und angefeindet.

Lakritze, Fruchtgummi, Hustenbonbons, Ahoibrause – die Produkte aus dem Hause Katjes-Fassin sind deutschlandweit in aller Munde. Und der ist dabei tunlichst geschlossen. Jetzt jedoch hat der Süßwarenhersteller, gerade rechtzeitig zur Branchenmesse in Köln ein Knallbonbon ausgepackt, das dafür sorgt, dass Menschen offenbar landesweit zunächst der Mund offensteht, ehe sie entweder Schaum vor demselben bekommen – oder in Lobeshymnen ausbrechen. Letzteres jedoch seltener.

Was ist geschehen? Nun, ein gerade einmal 15 Sekunden währender Werbespot, der jetzt ins Fernsehen kommt und auf großen Plakatwänden unter anderem an Bahnhöfen in Berlin, Frankfurt und Köln zu sehen ist, zeigt in schönstem Pink Frauen, die kauen. Und eine von den dreien – oh Schreck – trägt Kopftuch. Genauer gesagt: einen Hidschab. Ebenfalls in Pink.

Für Muslime ohne Gewissensbisse zu konsumieren

Und so werden die 15 Sekunden zum gesellschaftspolitischen Kampfplatz, wo man nicht auf Katzenpfötchen daherkommt, sondern Boykottaufrufe verkündet gegen Tappsy Turtle, Fred Ferkel und alle anderen Produkte aus dem Hause des Süßwarenriesen – die Muttergesellschaft Katjes International machte 2016 einen Umsatz von rund 225 Millionen Euro.

Derzeit ist Katjes auf der Kölner Süßwarenmesse präsent. Der Stand von Katjes ist ganz aus Holz. Man will sich umweltbewusst geben.
Derzeit ist Katjes auf der Kölner Süßwarenmesse präsent. Der Stand von Katjes ist ganz aus Holz. Man will sich umweltbewusst geben.

Doch jetzt raunen die Rechten angesichts des Spots, dass Deutschland endgültig islamisiert wird. Andere sehen das Symbol unterdrückter Frauen, da kann die Dame noch so süß lächeln. Und Katjes beteuern, man wolle nur zeigen, dass die Fruchtgummis seit 2016 bereits unter Verzicht auf tierische Produkte hergestellt werden, mithin auch ohne Gelatine vom Schwein und damit auch für Muslime ohne Gewissensbisse zu konsumieren.

Gewettert wird also von scharf rechts bis weit links, wo man trotz der eher emanzipatorischen Farbe des Spots unterm Kopftuch die unterdrückte Frau sieht. Hergestellt hat ihn die Berliner Agentur Antoni, die einst exklusiv für Mercedes arbeitete und nun mit „Antoni Jellybean“ einen Ableger eigens für die Bonbonfirma gegründet hat. Sie ist in aller Munde – und das ist in der Branche wahrlich nicht das schlechteste.

Katjes bekommt mit seiner Werbekampagne ein Aufsehen, das der legendären „Katjes - jes - jes - jes“-Werbung der 70er Jahre nahe kommt. Oder dem Einsatz des damaligen Topmodels Heidi Klum für die süßen Produkte. Was Katjes nach eigenen Angaben so gar nicht beabsichtigt hat – aber vielleicht raspeln sie damit nur Süßholz, denn ein Deutsche-Bahn-Spot mit einer kopftuchtragenden Reisenden schlug vor Jahresfrist Wellen. Und erst im Oktober hatte sich eine österreichische Drogeriemarktkette im Netz wegen einer Kopftuchträgerin beschimpfen lassen.

Das Werksgelände in Emmerich.
Das Werksgelände in Emmerich.

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Portraitaufnahmen von Mitarbeitern der Funke Medien Gruppe am 17.03.2016 in Essen. Im Bild Redakteur Stephan Hermsen. Foto: Kai Kitschenberg/FUNKE Foto Services
Von Stephan Hermsen

Die Kampagne, so Katjes, ziele auf „junge, trendaffine Frauen, die sich gerne bewusst vegetarisch ernähren. Dazu zählen auch junge Musliminnen, bei denen der Verzicht auf tierische Gelatine eine bedeutende Rolle spielt. Um es deutlich zu sagen, die Kampagne hat keine politische Aussage, sondern thematisiert das Thema veggie.“

Vom Ausmaß der Debatte sei man überrascht, der Zuspruch sei „mehrheitlich positiv“, was beim flüchtigen Lesen eine überraschende Einschätzung der Beiträge nahelegt. Man werde an der für mehrere Monate geplanten Kampagne festhalten. Menschenverachtende und rassistische Kommentare werde man nicht tolerieren.