Düsseldorf. . Von wegen Karnevalsauftakt. Wagenbauer Jacques Tilly arbeitet schon seit dem Frühjahr für den nächsten Zug. Da rollt dann auch ein NRZ-Wagen mit.

„Man sollte dir Großmaul das Fell über die Ohren ziehen ...“ Es ist nicht leicht, aus den mehr als 400 Hass-Mails, die Jacques Tilly nach Rosenmontag bekommen hat, eine auszuwählen, die man drucken kann. „Blond ist das neue Braun“ hatte auf dem Wagen gestanden, den er gebaut hatte. Dazu die „geföhnten“ Pappmaschee-Köpfe von Geert Wilders, Marine Le Pen und Donald Trump. Und in ungewohntem Blond: Adolf Hitler! Da lief der rechte Mob im Netz Amok. Sogar Morddrohungen gab’s. Widerlich.

Die politischen Mottowagen, die Tilly seit mehr als 30 Jahren für die Düsseldorfer Karnevalisten baut, erregen immer großes Aufsehen. Mindestens. Sie sorgen für Diskussionen, manchmal für Streit, hin und wieder für Verbotsforderungen. „Das ist aber weniger geworden“, sagt Jacques Tilly im Gespräch mit der NRZ. Das liegt aber nicht etwa daran, dass er der 54-Jährige langsam altersmilde würde. Im Gegenteil.

Die Sache wurde zu heiß

Im Jahr 1996 hatte Tilly den „Kruzifix-Streit“ aufs Korn genommen. Es ging um Kreuze in Schulklassen. Als der Entwurf durch die Presse ging, hagelte es Proteste aus Bayern und aus den Kirchen. Den Karnevalisten wurde die Sache zu heiß. Der Wagen rollte letztlich nicht. Seit dem Jahr 2000 zeigt

Trump, Le Pen, Wilders und Hitler: „Blond ist das neue Braun“. Für den Wagen wurde Jacques Tilly von Rechten beschimpft.
Trump, Le Pen, Wilders und Hitler: „Blond ist das neue Braun“. Für den Wagen wurde Jacques Tilly von Rechten beschimpft. © imago

Tilly seine Entwürfe nicht mehr vorher. Nur den Düsseldorfer Karnevals-Oberen. Und die sind tolerant. Und mutig. Und großzügig. Tilly ist ihr Star. Seine Wagen garantieren am Rosenmontag die Präsenz in allen Nachrichtensendungen. Das haben die Kölner nicht zu bieten.

Egal ob die türkische Generalkonsulin oder die polnische Regierung, ganz gleich ob der Zentralrat der Muslime oder neue und alte Nazis wütend protestieren – Tilly baut mit seinem Team seine bissigen Kommentare zur Politik. „Rollende Satire“ nennt er seine Karikaturen in 3D. Mit dem Bauen hat sein Team schon längst begonnen. Insgesamt 80 Wagen entstehen in den alten Bus-Depots der Rheinbahn (darunter wird auch der NRZ-Wagen sein).

Die Wagen sollen eine Geschichte erzählen

Mit den zwölf politischen Motto-Wagen lässt sich der Baumeister noch Zeit. Die sollen so aktuell wie möglich sein. Der 54-Jährige erklärt, was einen guten Wagen ausmacht: „Er muss eine eindeutige Botschaft, eine klare Zielrichtung haben. Und eine Pointe. Und auf keinen Fall darf er langweilig sein!“ Im Prinzip gelte für seine Wagen das gleiche Prinzip, das von Werbern für ihre Spots verwendet wird. Sie sollen eine Geschichte erzählen. „Tell a Story“.

Und welche Geschichten wird Tilly beim Rosenmontagszug am 12. Februar erzählen? So direkt in die Karten will der Düsseldorfer sich da nicht blicken lassen. Die großen Ereignisse und die verantwortlichen Akteure des Jahres haben gute Chancen. Donald Trump wird schon wie in den vergangenen beiden Jahren dabei sein. Angela Merkel bestimmt auch, Schulz vielleicht, und Gauland und seine AfD werden wieder ihr Fett abkriegen, Und Erdogan. Auch Kim Jong-un. Und hat der neue Ministerpräsident Laschet wohl schon genug geleistet, um mit einem Mottowagen „geehrt“ zu werden? Dazu gibt’s keinen Kommentar.

Die Bundestagswahl ist in jedem Fall dabei. Und das sich abzeichnende Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen. Da ist es jetzt noch schwer, sich auf ein Motiv festzulegen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass aus Jamaika am Ende doch nichts wird. Wenn sich das Ganze erst kurz vor Rosenmontag endgültig entscheidet, bedeutet das Sonderschichten für die Wagenbauer. Es wäre nicht das erste Mal, dass sozusagen über Nacht ein zusätzlicher 13. Wagen auf die Zugstrecke gebracht wird. Das sorgt dann stets für besondere Aha-Effekte. So aktuell ist im Karneval nur der Düsseldorfer „Zoch“.

Gauck schlüpft aus dem Ei

Vor fünf Jahren trat Christian Wulff am Karnevalsfreitag als Bundespräsident zurück. Da haben sie schnell einen abstürzenden Bundes-Adler Wulff gebastelt. Und als am Sonntag dann durchsickerte, dass Joachim Gauck der Nachfolger werden könnte, haben sie noch ein aufbrechendes Adler-Ei dazugestellt, aus dem der Neue zu schlüpfen begann. Erst kurz bevor der Zug losrollte, war die Farbe trocken.

Mal sehen, was diesmal noch alles passiert. Nach so vielen Jahren kann Jacques Tilly so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen. Auch der Elfte im Elften nicht. Wenn Hoppeditz und all die anderen Narren heute aufwachen, ist Tilly längst schon wieder bei der Arbeit. Für ihn ist irgendwie das ganze Jahr lang Karneval. Oder wie er es sagt: „Nach dem Rosenmontagszug ist vor dem Rosenmontagszug.“

Leser können auf dem NRZ-Wagen mitfahren

Das ist eine Premiere. Zum ersten Mal wird ein NRZ-Wagen im Düsseldorfer Rosenmontagszug mitrollen. Und Jacques Tilly, der berühmteste Karnevalswagenbauer Deutschlands, gestaltet den Wagen für uns. Thomas Plaßmann hat schon einen Entwurf gezeichnet. Da verleiht die NRZ Flügel und hilft dabei, einen besseren Überblick auf das hektische Treiben an Rhein und Ruhr und auf dem Rest der Welt zu bewahren. Von wegen „Fake News“!!! Rechtzeitig vor Rosenmontag werden wir sechs Plätze auf unserem Wagen verlosen. Wir sorgen für Kostüm und reichlich Wurfmaterial.

Aber bevor der Wagen rollen kann, muss er erst mal gebaut werden. Im Dezember geht es los. Am 14. Dezember laden wir 11 mal 3 Leser um 19.11 Uhr zu einem exklusiven Empfang in der Wagenbauhalle ein. Die ist eigentlich von der Öffentlichkeit streng abgeschirmt. Wir dürfen trotzdem rein – aber nicht in die Halle mit den politischen Mottowagen. Die Tickets dazu werden wir demnächst verlosen.

Bekannte Designerin entwirft die Kostüme

Ein Leser, eine Leserin können auch an unserem Wagen mitbauen. Wer keine Scheu davor hat, sich mit Kleister und Farbe zu bekleckern, darf für zwei Stunden im Team von Jacques Tilly mitmachen. Dafür können Sie sich bis 20. November bewerben. Mit dem Gewinner, mit der Gewinnerin werden wir einen Termin absprechen. Mailen Sie an seitedrei@nrz.de, Betreff: Kleister.

Die Modedesignerin und Kostümbildnerin Regina Strunden schneidert das Outfit für die NRZ-Gruppe. Denkbares Motiv: Superwoman mit Zeitungs-Umhang.
Die Modedesignerin und Kostümbildnerin Regina Strunden schneidert das Outfit für die NRZ-Gruppe. Denkbares Motiv: Superwoman mit Zeitungs-Umhang.

Und Sie können sich jetzt schon bei uns als Fußgruppe im Düsseldorfer Rosenmontagszug bewerben. Wir suchen eine muntere Truppe von 15 bis 20 Personen, die vor und hinter unserem Wagen laufen, tanzen, Kamelle werfen und gute Stimmung verbreiten. Für die professionelle Kostümierung sorgt die Modedesignerin Regina Strunden. Einen ersten Entwurf sehen Sie rechts. Wollen Sie mit Ihrer Clique oder mit ihren Vereinsfreunden dabei sein? Haben Sie am Rosenmontag von morgens bis nachmittags Zeit? Haben Sie eine gute Kondition für den langen Zugweg? Und warum wollten Sie das immer schon mal machen?

Dann schreiben Sie uns bitte bis um 20. November ein paar Sätze und schicken Sie uns gerne auch ein Foto von Ihrer Truppe an seitedrei@nrz.de, Betreff: Fußgruppe.

Aber jetzt erst mal: Viel Spaß beim Start in die Session!