Düsseldorf. Weil sie nur 1,61 Meter groß ist, durfte Johanna Fee Dillmann nicht zur Polizei. Dagegen klagte sie vorm Verwaltungsgericht - und bekam Recht.

Johanna Fee Dillmanns Traum soll nicht an 1,5 Zentimetern scheitern. Genau so viel fehlten der 22-Jährigen aus Krefeld zu ihrem Traumberuf. Denn NRW schreibt eine Mindestkörpergröße für eine Polizistin vor. Dillmann klagte gegen den Ablehnungsbescheid auf ihre Bewerbung – und bekam am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Recht.

Frauen müssen für NRW-Polizei 1,63 Meter groß sein

„Der abwechslungsreiche Alltag, die Arbeit mit den Menschen“, dem fiebert Johanna Fee Dillmann entgegen. Fachliche Eignung und ausreichend Fitness bringt die junge Frau mit. Alle Tests schloss sie im vergangenen Jahr mit Bravour ab. „Ich hatte extrem gute Werte“, erzählt sie in Düsseldorf.

Alles schien zum Greifen nah. Doch am dritten Tag des Auswahlverfahrens kam die große Ernüchterung. Das Maßband des Polizeiarztes zeigte nur einen Meter und 61,5 Zentimeter an. Laut einem Erlass von 2006 müssen Frauen im NRW-Polizeidienst aber mindestens 1,63 Meter groß sein, Männer sogar 1,68 Meter. Doch Dillmann gab nicht auf: „Für mich war klar: Jetzt wird gekämpft.“

Jedes Bundesland hat andere Größenvorgaben

Die 22-Jährige ist eine von fünf Frauen aus NRW, über deren Lebenstraum das Verwaltungsgericht Düsseldorf am Dienstag zu entscheiden hatte. Ein Verfahren von „grundsätzlicher Bedeutung“, wie Richter Andreas Müller schon eingangs feststellte, und in dessen Ausgang die bestehende Mindestgrößenregelung für Polizisten in NRW für unrechtmäßig erklärt wurde.

Klagen hatte es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben. Schon 2016 hatte ein junger Mann am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Recht bekommen. Eines der Hauptargumente: In anderen Bundesländern liegt die Mindestgröße deutlich tiefer, in Bremen ist sie sogar komplett aufgehoben worden. „Ich glaube, es ist schwer zu erklären, warum das in anderen Ländern unproblematisch ist, aber in NRW sofort eine Gefahr von Leib und Leben“, sagt auch Marco Blumberg, Rechtsanwalt einer Oberhausener Abiturientin, die ebenfalls gegen den Ablehnungsbescheid klagte.

Polizei muss um die besten Köpfe buhlen

Mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW haben die Klägerinnen einen starken Fürsprecher. „Wir müssen hier wieder zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. Entscheidend seien die kognitiven und sportlichen Voraussetzungen: „Der Kampf um die besten Köpfe wird immer schwieriger. Wir stehen in starker Konkurrenz zu Wirtschaft und Industrie. Da sind solche K.O.-Kriterien hinderlich.“

Auch das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen sah die Mindestgröße nicht ausreichend begründet. „Wir haben daraufhin eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die diese Regelung bestätigt“, sagt Victor Ocansey, Sprecher des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP). Diese Arbeitsgruppe habe Tests mit gestellten Situationen aus dem Polizeialltag durchgeführt. Anwalt Marco Blumberg aber übt scharfe Kritik an dem Bericht: Er sei „ergebnisorientiert geschrieben“ und ziele von vorne herein darauf ab, die Größe von 1,63 Metern zu stützen.

Mindestgröße solle der Gleichstellung dienen

„Wenn es um Festnahmetechniken geht oder darum, Demonstrationen aufzulösen, dann wird das mit einer kleinen Körpergröße schwieriger“, meint selbst der Düsseldorfer Richter Andreas Müller. Hinzu käme das Tragen der 22 Kilogramm schweren Ausrüstung. Betrachte man die Gewaltausschreitungen beim G20-Gipfel, sei eine Mindestgröße durchaus sinnvoll. „Es kann ja nicht sein, dass Polizisten im Alltag um Hilfe von ihren Kollegen schreien.“

Aber: Laut Auffassung des Gerichtes ist die Größenregelung in NRW dennoch unrechtmäßig. Der Grund: Männer müssen noch fünf Zentimeter größer sein als die festgelegte Mindestgröße von 1,63 Metern. Das Land argumentiert, dass dies der Gleichstellung diene. So bekämen Frauen eine bessere Chance gegenüber Männer, die im Durchschnitt größer als sie seien.

Ablehnungsbescheide der fünf Klägerinnen aufgehoben

„Hier kollidieren das Recht der männlichen Bewerber auf den Zugang zum öffentlichen Dienst und das Recht der Frauen auf Gleichstellung“, erklärt Richter Müller. Zwei Verfassungsrechte, die weder in einem Erlass, noch von einem Gericht in Einklang zu bringen seien, sondern „ausschließlich von der parlamentarischen Gesetzgebung“. Hierüber müsse der Landtag entscheiden. Kurzum: „Die Körpergröße für Männer ist unwirksam“, so Müller. „Deshalb kippt auch die Körpergröße für Frauen.“

Freude bei Johanna Fee Dillmann. Mit diesem Urteil ist nicht nur der Erlass unwirksam. Damit sind auch die Ablehnungsbescheide der fünf Klägerinnen aufgehoben. Doch das Land kann in Berufung gehen. Dillmann atmet durch, nickt still. „Ich hoffe, dass das nicht geschieht.“