Wuppertal. Ein Wuppertaler Hochhaus muss wegen Brandschutzmängeln geräumt werden. Eigentümer verweigert Nachbesserung. Rückkehr der Bewohner verzögert sich.

Die Bewohner des in Wuppertal wegen Brandgefahr geräumten Hochhauses können wahrscheinlich noch später als zunächst angenommen in ihre Wohnungen zurückkehren. Der Eigentümer des elfstöckigen Gebäudes müsste die gefährliche Fassadendämmung des Hauses beseitigen, dazu hat er sich aber nach Angaben der Stadt bisher nicht bereiterklärt.

"Solange er sich weigert, können die Menschen nicht wieder einziehen", sagt Jochen Braun vom Bau- und Wohnressort der Stadt. Bleibe der Eigentümer dabei, müsse der Fall in einem ordnungsbehördlichen Verfahren gelöst werden. Sicherlich könnten Zwangsgeld und ausfallende Miete den Besitzer des Hochhauses unter Druck setzen, so Braun.

Fassadendämmung erinnert an Grenfell Tower

Die rund 70 Bewohner des Hochhauses mussten am Dienstagabend das Gebäude überraschend verlassen. Wer nicht bei seinen Verwandten oder Freunden unterkam, wurde von der Stadt in Ersatzwohnungen untergebracht, die für die hohe Zahl an Flüchtlingen in Wuppertal vorgesehen waren und freistehen.

Das Haus, in dem viele seit Jahren leben, ist über Nacht zu einem Risiko für sie geworden. Denn die Fassadendämmung erinnert an den Londoner Grenfell Tower, in dem vor zwei Wochen mindestens 79 Menschen in einem verheerenden Flammeninferno ums Leben kamen. "Reine Vorsichtsmaßnahme", betont die Stadt. "Unfassbar", raunzt ein Mann, der beim Auszug aus den seinen vier Wänden nur einen Koffer mitnehmen darf.

Die Katastrophe vom Grenfell Tower hatte nicht nur die britischen Behörden genauer auf die älteren Hochhäuser schauen lassen. Auch in Deutschland wurden die Fassadendämmungen untersucht - und in Wuppertal wurde erstmals entschieden, ein ganzes Hochhaus innerhalb von Stunden zu räumen.

Bei der jüngsten Brandschau schlugen die Experten Alarm

Etliche Bewohner wurden von der Entscheidung vollkommen überrumpelt, einige erfuhren davon auf dem Heimweg von der Arbeit. "Ich habe übers Radio gehört, dass wir raus müssen", schimpft eine ältere Frau. "Da äußerten sich die ersten Experten schon im Fernsehen dazu und ich wusste nichts, das ist eine Sauerei."

"Es ist eine einschneidende Maßnahme für die Menschen, die dort wohnen", räumt Wuppertals Baudezernent Frank Meyer ein. "Das ist uns bewusst." Aber nach dem Londoner Brand sei das Risiko auch im Wuppertaler Hochhaus neu bewertet worden. Bei der jüngsten Brandschau schlugen die Experten Alarm: Die Fassade bestehe aus brennbarem Isoliermaterial, es gebe eine Unterkonstruktion aus Holz, warnten sie.

Keine Brandmeldeanlage und zu enge Flure

Außerdem seien die Flure des rund 50 Jahre alten Hauses zu eng und die Balkone zu kurz. Eine Brandmeldeanlage? Fehlanzeige."Wenn unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, müssen die Menschen in Sicherheit gebracht werden", erklärt Meyer. Die Bewohner waren da, so scheint es, schon weiter. Sie haben nach eigenen Angaben wiederholt auf Brandschutzmängel hingewiesen.

"Es ist immer wieder gesagt worden, es werde etwas unternommen", sagt eine Bewohnerin des heruntergekommen wirkenden Wohnblocks, der wie ein elfstöckiger Leuchtturm aus dem Wohnquartier Hilgershöhe heraussticht. "Immer wurde etwas gesagt, nie wurde etwas gemacht. Beschissen ist das."

Wuppertal will etwa 70 weitere Gebäude testen

Den Londoner Hochhausbrand hatte vor zwei Wochen ein defekter Kühlschrank entfacht. Seitdem fallen untersuchte Gebäude dort bei stichprobenartigen Brandschutztests gleich reihenweise durch. Während in Großbritannien bei 600 Hochhäusern die Fassadenverkleidungen geprüft werden sollen, will Wuppertal etwa 70 weitere Gebäude testen. Man gehe aber nicht davon aus, dass sie ebenfalls evakuiert werden müssen.

"Wir wissen bislang von keinem anderen Fall", sagte eine Sprecherin des Bauministeriums von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.Wenige Stunden nach der Evakuierung halten noch ein paar Beamte des Ordnungsamtes Wache am verlassenen Wuppertaler Hochhaus. Sie warten auf Bewohner, die möglicherweise noch in einer Spätschicht arbeiten und nicht wissen, dass sie die kommenden Nächte nicht zu Hause schlafen dürfen. Danach soll ein Siegel die Türe zum Haus verschließen. Ein Wachdienst werde auf die Habseligkeiten achten, versichert die Stadt. (dpa)