Duisburg. . Gerade laufen die schriftlichen Abiturprüfungen. Die NRZ hat einen Direktor, eine Lehrerin und eine Schülerin gefragt: Wie fühlt das sich an?

Vanessa Halilovic hat ihre erste Abiturprüfung geschafft. Erleichterung sieht anders aus. „Mir ist nichts mehr eingefallen“, sagt die 17-Jährige auf dem Schulhof des Landfermann-Gymnasiums in Duisburg. Mit dieser Sorge ist die angehende Abiturientin nicht allein: Etwa 90 000 Schüler machen an über 1100 Schulen in NRW in diesem Jahr Abitur. Die NRZ hat einen Direktor, eine Lehrerin und Schülerin gefragt, wie sich das anfühlt.

Das sagt der Rektor

Christof Haerings Abitur liegt eine Weile zurück, 1978 war das, da sind einige Eltern der heutigen Abiturienten noch zur Grundschule gegangen. Auch wenn der Rektor einige Abiprüfungen auf dem Buckel hat, mitfiebern gehört dazu: „Da schaut man immer, ob die Themen passen, wie die Aufgaben sind.“ Unvergessen: Das „Oktaeder des Grauens“ aus dem Jahr 2008. Mathe-Schüler, die praktisch unlösbare Aufgaben knacken sollten, durften die Prüfung wiederholen.

Fiebert jedes Jahr mit: Christof Haering, Direktor am Landfermann-Gymnasium.
Fiebert jedes Jahr mit: Christof Haering, Direktor am Landfermann-Gymnasium. © Fabian Strauch

Die alljährlichen Abiwochen bedeuten auch für den Schulleiter Stress. „Es fällt sehr viel Organisation an. Allein das Formale ist ein großes Thema“, sagt der 57-Jährige. Vor allem der Kampf gegen „Schummeleien“. Lehrer müssen heute Ohren und Armbänder auf digitale Helfer prüfen. „Gerade wird überlegt, ob Tore wie am Flughafen aufgestellt werden sollen.“

Höheren Leistungsdruck auf den Schultern seiner 124 Abischüler nimmt er nicht wahr. Was Haering aber auffällt: „Den Schülern fehlt die Reife.“ Durch die Verkürzung auf G8 machen viele das Abitur mit 17 Jahren. Einige wüssten nicht, was sie danach machen sollen. „Es ist ja heute auch viel schwerer, das richtige Studium oder die richtige Ausbildung zu finden. Das ist komplexer geworden.“

Was die Lehrerin über das Abitur denkt

Patricia Schneider kriegt die Sorgen aus nächster Nähe mit. Sie unterrichtet Deutsch und Philosophie. „Die meisten Schüler sind chillig drauf. Aber einzelne haben riesige Existenzängste. Das sind meist die Schüler, die ohnehin sehr gute Note haben.“ Sie wollen Medizin, Journalismus, Jura studieren und fragen sich: Reicht das?

Fühlt jedes Jahr mit: Lehrerin Patricia Schneider (Deutsch und Philosophie).
Fühlt jedes Jahr mit: Lehrerin Patricia Schneider (Deutsch und Philosophie). © Fabian Strauch

Schneider fühlt jedes Jahr mit. „Als meine Klasse die erste Prüfung hatte, war ich am Vorabend richtig nervös.“ Wie die Schüler erfährt die 46-Jährige erst am Prüfungstag, welche Aufgaben gestellt werden. Schneider sagt, sie mache jedes Jahr Abitur. Sie erinnere sich genau, wie sie 1990 vor lauter Aufregung „mindestens dreimal“ bei jeder Prüfung zur Toilette gehen musste.

Schüler hätten es nicht schwerer als früher, „aber sie lernen anders.“ Die digitale Welt macht’s möglich: Neue Medien vereinfachen die Vorbereitung. Zu jeder Aufgabe gibt es im Internet Lösungen, „Manchmal wundere ich mich, was die schon alles wissen“, sagt Schneider. „Sie haben so viele Möglichkeiten im Internet, sich Wissen anzueignen.“

Wie die Schülerin auf das Abitur sieht

Leichter gemacht haben es die neuen Möglichkeiten Vanessa Halilovic nicht. Sie steht nach der Pädagogik-Prüfung mit demselben unsicheren Gefühl wie zig Generationen vor ihr auf dem Schulhof. Die 17-Jährige grübelt: „Kann ich bei einer Sechs in die Nachprüfung?“

„Ich hab letzte Nacht nur zwei Stunden geschlafen. ich hab noch bis fünf Uhr morgens gelernt.“ Die letzten zwei Wochen habe sie am Schreibtisch verbracht – und ärgert sich noch. „Hätte ich früher angefangen, hätte ich nicht so einen Stress gehabt.“

Nach der Englisch-Prüfung wird sie am Mittwoch in Mathematik und Donnerstag mündlich in Philosophie geprüft. Dann ruft die Freiheit. Vanessa hat aber ganz andere Pläne. „Ich möchte Maschinenbau oder BWL in Duisburg studieren.“ Und danach? Dann endlich Freiheit. „Ein Jahr in Deutschland oder Australien rumfahren und sich die Welt anschauen.“

Patricia Schneider und Christof Haering drücken ihr die Daumen. Im Erfolgsfall muss die 17-Jährige nie wieder Abi machen. Haering und Schneider aber schon.

>> So geht es für die Abiturienten weiter

Die schriftlichen Abiturprüfungen enden am Mittwoch, 10. Mai mit den Fächern Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik (Grund- und Leistungskurse)

Von Donnerstag, 11. Mai bis Dienstag, 23. Mai sind die Nachschreibetermine angesetzt (bei starken Abweichungen). Am Donnerstag ist auch der Tag, an dem die mündlichen Prüfungen im 4. Abiturfach abgelegt werden.

Der letzte Tag der mündlichen Nachprüfungen im 1. bis 3. Abiturfach ist am Freitag,7. Juli.

Spätestens am Samstag, 8. Juli, müssen die letzten Zeugnisse verteilt worden sein.