An Rhein und Ruhr. . Fast alle Parteien versprechen einen Ausbau oder zumindest eine Sanierung der Infrastruktur im Land. Bis Reparaturen greifen, dauert es aber.
Pendler haben’s schwer in Nordrhein-Westfalen Die Autobahnen – ein einziger Dauerstau. Die Regionalzüge – viel zu oft viel zu voll und viel zu spät. Das Beamen an Rhein und Ruhr ist leider noch nicht erfunden.
Unlängst war der nahende Verkehrsinfarkt im Land Thema einer WDR-Sendung mit Hörerbeteiligung. Was die Anrufer dort berichteten, schwankte zwischen brodelnder Wut und galligem Defätismus: dass man auf Baustellen in den seltensten Fällen einen Arbeiter sehe, dass es an vernünftigen Radwegen fehle. Wie es sein kann, dass die versammelte NRW-Expertise plötzlich entdecke, wie kaputt die Brücken sind, klagten die Anrufer. Oder dass die Politik einfach zusehe, wie unsere Autobahnen mit meist ausländischen Lastwagen zusehends verstopft werden.
Die in die Radio-Arena geschickten Landespolitiker sprachen eifrig von den neuen Wegen, die nach der Landtags-Wahl eingeschlagen werden sollen in der Verkehrspolitik. Aber hilft das dem normalen Pendler, vor allem: auf die Schnelle?
Nehmen wir mal Herrn M., der jeden Tag von Köln nach Essen muss. Der arme Mann, einer von rund vier Millionen Pendlern in NRW, nimmt meistens das Auto. Über die marode Leverkusener A1-Brücke, Fanal verfehlter NRW- Verkehrspolitik, geht’s in Schleichfahrt mit Tempo 20. Das aber nur an den guten Tagen. Dann wird’s gleich wieder leicht staugefährlich vor der noch immer nicht vollendeten A3-Baustelle bei Hilden. Und wenn er diese Klippe umschifft hat, droht der unvermeidliche Rückstau vor der Baustelle auf der A52 bei Essen. Von Tagesbaustellen und Unfällen mal ganz abgesehen. Wenn er voll in die Rushhour kommt, ist er rund anderthalb Stunden auf Achse. Gute Nerven braucht der arme Herr M.
Zugfahren als Alternative
Die Alternative heißt Schiene. Erst in die Straßenbahn. Dann Warten auf den RE1 auf dem zugigen Bahnsteig in Köln-Deutz. Laut Plan sind es von Haustür zu Haustür knapp zwei Stunden. Das aber nur, wenn der RE1 denn pünktlich einfährt. Was eher selten klappt. Denn auf den proppevoll getakteten Gleisen an Rhein und Ruhr führt schon die kleinste Weichenstörung zu größten Problemen. Oder der Regionalzug wird an einem Bahnhof für ein paar Minuten „geparkt“, um einen ICE überholen zu lassen...
Aber beim Zugfahren hat Herr M. immerhin die Muße, um sich anzusehen, was die Parteien nach der Landtagswahl alles unternehmen wollen, um NRW wieder anständig ins Rollen zu bringen.
Am Geld scheitert es ja nicht. NRW wird bis 2030 aus dem Bundesverkehrswegeplan knapp 14 Milliarden Euro erhalten, so viel wie kein anderes Bundesland. Aber wie soll man diese Geldmassen effizient investieren?
Die SPD will vieles davon in den Rhein-Ruhr-Express sowie in die Modernisierung von Bahnhöfen stecken. Bei den Autobahnen fließt Geld in die Sanierung der maroden Brücken und den Ausbau der bestehenden Autobahnen. Im Kern soll „Erhalt vor Neubau“ stehen. Genehmigungsverfahren sollen schneller und transparenter werden. Und: NRW soll elektromobiles Kernland werden.
Die CDU beklagt, dass in der Vergangenheit Bundesmittel nicht abgerufen werden konnten, weil Projekte nicht planungsreif waren. Das soll besser werden. Auch beim Baustellenmanagement will die CDU effizienter werden. Es soll eine Art Hitliste der wichtigen Baustellen geben, die vorrangig abzuarbeiten sind. Zudem setzt sie auf einen Masterplan zum Bundesverkehrswegeplan 2030 – mit dem sollen die Potenziale optimal ausgeschöpft werden.
Die FDP sieht Mobilität als ein Schlüsselthema für den Wirtschaftsstandort NRW. Die Liberalen fordern einen bedarfsgerechten Ausbau aller Verkehrsträger, eine schnellere Planung und einen Ausbau des Straßennetzes.
Die Grünen bekommen, was die Verkehrspolitik angeht, von CDU und SPD im fast gleichen Maße das Fett weg. Aber die sogenannten „Bremser“ gehen konsequent ihren Weg: mehr Güter auf die Schiene, ein besserer ÖPNV (dazu soll ein verständlicher NRW-Tarif eingeführt werden), Ausbau des Radwegenetzes, Ausbau von Mobilstationen, an denen Verkehrsteilnehmer entscheiden können, ob sie auf Bus, Rad oder Carsharing setzen. Und neu gebaute Straßen schon mal gar nicht!
Keine schnellen Lösungen
Dem nähern sich die Piraten an; diese haben kaum Chancen auf den Wiedereinzug in den Landtag und können daher fröhlich einen fahrscheinfreien Nahverkehr einfordern, um die Straßen zu entlasten. Was auch die Linken einfordern, die das alles mit einer eigenen Abgabe gegenfinanzieren wollen.
Und auf der rechten Straßenseite? Da steht die AfD. Die Rechtspopulisten pochen auf die schnellere Abarbeitung von Autobahn-Baustellen und modernere Ampelschaltungen.
Wie man sieht, liegen die meisten Parteien gar nicht weit auseinander, doch schnelle Lösungen der Verkehrsprobleme an Rhein und Ruhr hat keiner parat. Wer zum Pendeln verurteilt ist, muss Geduld mitbringen. Nicht nur kurzfristig. Herr M. legt derweil die Parteiprogramme beiseite. Sein Zug rollt in Essen-Hauptbahnhof ein. Diesmal hatte er „nur“ 16 Minuten Verspätung.
>>>WAS SICH EXPERTEN WÜNSCHEN
Der Duisburger Verkehrsforscher Prof. Michael Schreckenberg hat klare Vorstellungen, was nach der Landtagswahl getan werden muss:
„Das Straßennetz muss saniert werden. Ob das die Leverkusener Rheinbrücke ist, die Duisburger Brücke an der A40 oder die Berliner Brücke auf der A59. Wir müssen die Engpässe beseitigen.“
„Das zweite ist: Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiver werden. Bahnhöfe müssen saniert werden. Es muss im Schienenverkehr ein bezahlbares NRW-Ticket geschaffen werden, womit man mit allen Verkehrsmitteln und in allen Verkehrsverbünden fahren kann. Der öffentliche Nahverkehr muss außerdem besser getaktet werden.“
„Man muss sich Gedanken über die Zukunft des Güterverkehrs machen. Er wird deutlich zunehmen.“
„Im Flugverkehr braucht es einen Ausbau der Kapazitäten und einen Ausgleich der Interessen der Wirtschaft und der Anwohner. Gerade junge Leute nutzen vermehrt das Flugzeug.“