Essen. Im Luftraum über der Region kommt es immer wieder zu zu Beinahe-Zusammenstößen: Segelflieger kommen den Verkehrsmaschinen gefährlich nahe.
Der Februartag beginnt kalt und grau. Zwei Grad plus zeigen die Barometer im Ruhrtal an. Regen, dichte Bewölkung und Wintergewitter ziehen auf. Flug NFD 108 aus Hannover mit 19 Passagieren und zwei Piloten an Bord sucht sich seinen Anflug-Weg nach Düsseldorf zur Landebahn 24, als über dem Essener Süden der Blitz einschlägt. Er legt die Elektronik des zweimotorigen Metroliners lahm.
Kapitän Ralf Borsdorf und die Co-Pilotin Sybille Heilmann verlieren alle Orientierung. Zeugen sehen, wie der schlanke Rumpf des Turboprops steil nach oben schießt und wieder abwärts rast. Um 7.58 Uhr geht Flug 108 in einer Pirouette zu Boden, wo er in die Ruhrwiesen nur ein paar Gehminuten von der Kettwiger Ortsmitte einschlägt und explodiert. Kein Insasse überlebt dies.
Drohnen können Flugzeugen gefährlich werden
Das Ende des Metroliners am Rand des Ruhrgebiets an diesem 8. Februar 1988 war das schlimmste zivile Flugzeugunglück Westdeutschlands seit Jahrzehnten – und ist es seither auch geblieben. Der Himmel über Nordrhein-Westfalen, dicht beflogen wie nur wenige andere und Kreuzungspunkt der Anflug-Routen nach Düsseldorf, Köln, Amsterdam, Brüssel und kleineren Airports wie Dortmund und Weeze, gilt als weitgehend sicher.
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Doch es gibt Gefahrenherde. Das Auftauchen von Drohnen gehört dazu an Stellen, wo sie Flugzeugen gefährlich werden können. 64 mal war das im vergangenen Jahr bundesweit der Fall. Piloten haben 2016 in Köln-Bonner Luftraum acht und im Düsseldorfer fünf Sichtungen der Flugroboter in nächster Nähe gemeldet. 2015 waren es hier überhaupt keine. Ute Otterbein von der Deutschen Flugsicherung (DFS) sagt dazu, Drohnen seien noch nicht mit dem Radar zu erfassen. Man verlasse sich bei den Angaben auf die Flugzeugführer. Die DFS arbeitet jetzt mit der Telekom an einem Forschungsprojekt. Das Ziel: Das Problem mit den Drohnen zu entschärfen.
Bundesweit 19 Menschen bei Kollisionen von Luftfahrzeugen gestorben
Wesentlich folgenreicher ist derzeit noch eine viel ältere Gefahr. „Annäherungen und Kollisionen im deutschen Luftraum“ heißt eine Sonder-Analyse, die die Flugunfalluntersuchung des Bundes in Braunschweig erstellt hat. Sie erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren. Danach sind zwischen 2010 und 2015 bundesweit bei 15 Kollisionen von Luftfahrzeugen 19 Menschen umgekommen – zusammen ist das weniger als bei dem einzelnen Absturz in den Ruhrwiesen. Aber es gab in diesem Zeitraum 31 „schwere Störungen“, also Beinahe-Zusammenstöße.
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Sieben mal ist der NRW-Luftraum betroffen gewesen - so 2015 bei einer nahen Begegnung bei Bottrop , 2014 bei Essen/Mülheim und bei einer Kleinflugzeug-Kollision mit einem Segelflug-Schleppseil bei Münster-Telgte. Zum schwerwiegendsten Zusammenstoß kam es über Olsberg im Sauerland. Die Schlagzeilen, die das 2014 machte, sind noch im Kopf. Ein EuroFighter der Luftwaffe war mit einem zweistrahligen Learjet kollidiert, der den übenden Militärfliegern als Zieldarstellung dienen sollte. Die Learjet-Piloten hatten keine Chance. Beide kamen um.
Westfalen ist ein Hotspot für gefährliche Begegnungen in der Luft
Die Unfallexperten aus Braunschweig nennen aber zwei Mal den Flughafen Dortmund als Schauplatz zu naher Begegnungen als „schwere Störungen“. Hier sind voll besetzte Passagierflugzeuge in Gefahr geraten. 2011 und 2013 sind ein Motorflugzeug vom Typ Cessna und ein „unbekanntes Segelflugzeug“ zwei im Landeanflug befindlichen Airbus A 320-Jets, die aus Kiew und aus Kattowitz kamen, in die Quere gekommen. Die Distanz zwischen den Flugzeugen betrug im Fall des Segelfliegers nur einhundert Meter auf gleicher Flughöhe.
Gerade Westfalen ist über die Jahre zu einem Hotspot für solche gefährlichen Begegnungen geworden. Immer wieder kommen im Luftraum östlich des Wickeder Airports in Höhe von Unna, aber auch in Münster/Osnabrück und Paderborn Segelflieger den Verkehrsmaschinen zu nahe. Die Deutsche Flugsicherung hat die Luftsportvereine in dieser Region durch Informationsschreiben zu größerer Vorsicht gemahnt. Sie sollen „intensiv“ nach Verkehrsmaschinen Ausschau halten.
Segelflugzeuge sollen einen Transponder-Pflicht erhalten
Der letzte Fall – Airbus gegen Segelflugzeug - wird möglicherweise gesetzliche Konsequenzen haben. Die Braunschweiger Behörde hat in ihrem Bericht das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, generell Transponder-Pflicht für Segelflugzeuge einzuführen. Bisher gibt es diese für Flüge in bestimmten Höhen nicht. Transponder sind Sender, die durch Abstrahlung Luftfahrzeuge für entgegenkommende Maschinen mit Code und Flughöhe erkennbar machen. Die Nachrüstung der Segelflugzeuge mit den Sendern kann für die Hobby-Piloten kostspielig sein: Es geht um mehrere tausend Euro.
Das Ministerium prüft derzeit die Aufforderung. Die Aufsicht ist notgedrungen gerade nach Zwischenfällen streng. Auch 1988 nach der Katastrophe von Kettwig war das so. Der Staat schrieb den Einbau von Navigationsgeräten vor, die unabhängig vom Bordstrom arbeiten. Ein Blitz kann ihnen nichts antun.