Moers/Duisburg. Der Schulz-Effekt treibt Mitgliederzahlen an Rhein und Ruhr in die Höhe. Bei der CDU ist man zwar gewarnt, rechnet aber mit einem Ende des Hypes.
Kleine, rote Parteibücher liegen auf dem Tisch vor Silvia Rosendahl, der Vorsitzenden des Rheinkamper Ortsvereins der SPD in Moers. An diesem Abend steigt die Jahreshauptversammlung in der Moerser Regenbogenschule. Die Stimmung ist hervorragend, fast schon etwas überschwänglich. Einige neue Mitglieder sind heute dabei, glaubt man der Vorsitzenden, wird sich ihre Zahl in den kommenden Wochen und Monaten noch vergrößern. Der Schulz-Effekt – mittlerweile hat die Rheinkamper SPD wieder 258 Mitglieder – nach einer längeren Flaute.
Eine wahre Aufbruchstimmung herrsche seit Schulz’ Ernennung zum Kanzlerkandidaten, sagt Rosendahl, auch in Rheinkamp. „Kurz vor den Weihnachtstagen war die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik ziemlich groß. Deshalb organisierten wir ein Tagesseminar zum Thema am 28. Januar. Nur ein paar Tage vorher wurde Martin Schulz dann zum Kandidaten ernannt – und siehe da – die Stimmung änderte sich völlig.“
„Schulz bringt die Partei wieder in die Offensive“
Das findet auch Daniel Weitz (33), eins von insgesamt sechs neuen Mitgliedern im Rheinkamper Ortsverein, seit dem Amtsantritt von Martin Schulz. „Ich war schon länger von der sozialdemokratischen Politik überzeugt, die Ernennung von Schulz war am Ende aber ein entscheidender Faktor. Er symbolisiert die Rückbesinnung auf alte Werte, ist angriffslustig, laut und bringt die Partei wieder in die Offensive. Außerdem ist er bodenständig, kommt von unten.“
Was hat Schulz, was Gabriel nicht hat? Auch den langjährigen Parteimitgliedern in Rheinkamp ist das völlig klar. Schulz sei nicht in die Koalition eingebunden, könne noch mal ganz andere Dinge ansprechen, sagt eines der SPD Mitglieder – und: „Er wirkt wie jemand, der neu ist, der von außen kommt und noch nicht so sehr in die Bundespolitik eingebunden war. So schafft er es, einen neuen Schwung zu versprühen“, meint Rosendahl.
Mit dem Schulz-Effekt steigen auch die Erwartungen
Doch mit den Hoffnungen und Umfragewerten steigen auch die Erwartungen der Genossen: Martin Schulz müsse am Hartz IV einiges ändern, sagt die Vorsitzende. „Dass man nach vielen Jahren Arbeit schon nach einem Jahr das Arbeitslosengeld Eins gestrichen kriegt, finden die meisten Menschen einfach unfair.“
Rund 20 Kilometer weiter lädt der Ortsverein Mitte der Duisburger CDU wenige Tage später zum Frühlingsempfang in die Cubus-Kunsthalle. Über den Schulz-Effekt wird auch bei der CDU gesprochen – siegessicher ist man hier trotzdem. „Wir gehen voll motiviert in den Wahlkampf. Ich schätze das als temporären Aufschwung ein, Schulz hat keine innenpolitische Erfahrung, das wird sich früher oder später herauskristallisieren“, meint Ralf Jörg Brotzki, Vorsitzender des Stadtverbands.
Die Gäste sitzen an runden Tischen, es gibt Getränke und belegte Brötchen. Von Hektik im Wahlkampf keine Spur. In der Rede des ehemaligen Umweltministers Norbert Röttgen fällt nicht einmal der Name Schulz. Und schon gar nicht der Begriff „Schulz-Effekt“. Stattdessen geht es um Trump, Putin, Zuwanderung, Islamistischen Terror und die Afd.
„Bislang ist das nichtmehr als ein Hype“
Der Duisburger Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg redet dann aber doch noch über Martin Schulz. „Natürlich nehmen auch wir den Schulz-Effekt wahr. Die SPD hat plötzlich einen neuen Schwung entwickelt, nachdem ihre Mitglieder in den letzten Monaten ja eher mit hängenden Köpfen unterwegs waren.“ Was Schulz seinem Vorgänger Sigmar Gabriel voraus hat? Dazu hat auch die CDU eine Meinung. Gabriel sei nicht so beliebt gewesen, deshalb wirke die Schulz-Ernennung wie eine Befreiung auf die Mitglieder der SPD – aber: „Auch nach der Ernennung Peer Steinbrücks gab es eine Euphoriewelle. Bislang ist es aber nicht mehr als ein Hype. Wir nehmen das ernst, sind aber davon überzeugt, dass wir am Ende die Nase vorn haben werden.“
Damit es tatsächlich klappt mit dem Wahlsieg, plant die Rheinkamper SPD schon jetzt ihren Wahlkampf, will den neuen Schwung nutzen. Beim Frühjahrsempfang der CDU geht’s demgegenüber eher gelassen zu. Brotzki: „Das ist hier ganz explizit keine Wahlkampfveranstaltung. Wir starten am 1. April.“