Oberhausen. . Viel Politprominenz und freundliche Stimmung: Bei den Festreden zum ersten Spatenstich klatschte sogar die Bürgerinitiative Beifall.

25 Jahre Verspätung, das ist selbst für die Bahn rekordverdächtig: Gebuddelt wird schon hier und da, erst jetzt am Freitag aber gestern aber erfolgte bei Oberhausen der symbolische erste Spatenstich für den rund 1,5 Milliarden schweren Ausbau der Bahnstrecke vom Ruhrgebiet über Wesel nach Emmerich und weiter in die Niederlande.

Der Ausbau des deutschen Abschnitts der Betuwe-Linie zwischen zählt zu den wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen im deutschen Schienenverkehr. „Mit dem Ausbau wird nicht nur der Schienenverkehr für Güter und Personen gestärkt, sondern eine weitere Lücke im Transeuropäischen Verkehrsnetz geschlossen“, sagte Bahnvorstand Ronald Pofalla. Die 73 Kilometer lange Strecke wird dreigleisig ausgebaut.

Betuwe
Betuwe © DENISE OHMS

Angesichts der Verspätung war es an NRW-Verkehrsminister Michael Groschek das zu tun, was die Bahn in solchen Fällen macht: sich entschuldigen. Beim Königreich der Niederlande und dessen Bürgern. Weil vor 25 Jahren die Bundesrepublik und die Niederlande in Warnemünde einen Vertrag über den Bau der Betuwe-Linie schlossen.

Zugegeben, auch die Niederlande haben nicht alles umgesetzt, was auf dem Papier stand. Aber bereits vor zehn Jahren ist der niederländische Ast der Betuwe-Route zwischen Rotterdam und der Grenze in Betrieb. Spätestens seitdem bekommen die Menschen an den rund 73 Schienenkilometern zwischen Emmerich-Elten und dem Bahnknoten vor Oberhausen hautnah mit, was es heißt, an einem Transitkorridor des europäischen Marktes zu wohnen.

Alle Festredner loben den konstruktiven Dialog

Insofern war es vielleicht gut, dass seit dem Vertrag von Warnemünde 25 Jahre vergangen sind. Jahre voller Diskussionen, Anregungen, Prostesten und Verzögerungen – aber auch mit Dialogen. Das erstaunliche Ergebnis war beim Festakt in Oberhausen zu besichtigen: Zwischen dem Promitisch mit Minister Michael Groschek, Bahnvorstand Roland Pofalla, EU-Koordinator Pawel Wojciechowski und Oberhausens OB Daniel Schranz und dem Tisch der Bezirksregierung Düsseldorf saßen die Vertreter der Bürgerinitiative. Und – Überraschung – sie klatschten den Festreden eifrig Beifall. Weil kein Redner vergaß, den konstruktiven Dialog zu rühmen und das lange mühsame Ringen um Lösungen, die allen zumindest einigermaßen gerecht werden.

Ronald Pofalla: Die Bahn baut – 750 Millionen vom Bund, 450 Millionen vom Land, 300 Millionen von der Bahn – so sieht die Finanzierung aus.
Ronald Pofalla: Die Bahn baut – 750 Millionen vom Bund, 450 Millionen vom Land, 300 Millionen von der Bahn – so sieht die Finanzierung aus. © Heidrich

Denn noch liegt beispielsweise eine Klage der Stadt Oberhausen gegen das Planfeststellungsverfahren auf dem Tisch, noch sorgt ein Unfall wie vor ein paar Tagen in Dinslaken für wieder aufflammende Diskussionen um die Sicherheit entlang der Strecke, weil dort eine Lok über einen Tresor rumpelte und entgleiste.

Mit dem Ergebnis, dass es zwar – und nicht zufällig in einem Wahljahr – einen medial wirkungsvollen Spatenstich gibt, aber für die Fertigstellung des 1,5 Milliarden-Euro-Projektes kein Enddatum. Und noch keinen durchgängigen Baustart.

Ein Grund für die neuen versöhnlichen Töne zwischen Bahn und Bürgern könnte in der Person von Ronald Pofalla zu suchen sein: Bahnvorstand, Niederrheiner und CDU-Politiker in einer Person. Gestern gab es herzliches Händeschütteln beispielsweise mit dem ehemaligen Bahningenieur, Parteifreund und Betuwe-Kritiker Johannes ten Brink aus Emmerich. Doch der untere Niederrhein ist Pofallas politischer Vorgarten.

Handschlag: Betuwe-Kritiker und Bahn-Vorstand

Da hat er im wörtlichen wie übertragenen Sinne großes Interesse, dass Erschütterungen möglichst gering bleiben. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek flirtet derweil aus anderen Gründen mit Bahnmaskottchen „Max Maulwurf“: „Der heißt nur Max, weil bei der Bahn keiner weiß, wie man Mike schreibt.“ Wo gebaut wird, entstehen Arbeitsplätze. Und die Güterzugtrasse führt nicht nur von Rotterdam nach Genua, sondern auch nach Duisburg und damit in die Herzkammer der NRW-Logistikbranche, die Groschek als Jobmotor für die Wirtschaft sieht.

Nun werden also 1,5 Milliarden in den niederrheinischen Sand gesetzt für ein drittes Gleis, das vor allem den schnellen ICE vom Güter- und Regionalverkehr trennen soll. Die Menschen entlang der Trasse sollen als Bahnpendler zudem von einem RRX-Zweig und elf grundsanierten Bahnhöfen profitieren.

Nanu, macht Ronald Pofalla (Vorstand DB, links) erstmal ein Selfie? Neben ihm: Michael Groschek (Verkehrsminister NRW) und Enak Ferlemann (parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr.
Nanu, macht Ronald Pofalla (Vorstand DB, links) erstmal ein Selfie? Neben ihm: Michael Groschek (Verkehrsminister NRW) und Enak Ferlemann (parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr. © Lars Heidrich

Mit dem Bau, so der Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums Enak Ferlemann, wird ein Flaschenhals des europäischen Verkehrskorridors beseitigt. So gesehen ist die Betuwelinie auch Symbol eines Globalisierungsglaubens, der angesichts von Trump-Inauguration und Brexit zumindest derzeit nicht in politischer Mode ist – abgesehen von der Frage, ob die Logistik der Zukunft noch reale Waren oder nicht mehr digitale Strömen bewegt.

Daher wird es durchaus spannend zu beobachten, was aus dem in den nächsten Jahren betonierten europäischen Transitweg wird. Mal sehen, wo er in 25 Jahren ankommt.