An Rhein und Ruhr. . #urbanana – das neue Konzept für Städtetourismus in NRW. Er will mit Kunst, Kreativität und Unbekanntem punkten. Ein Erfolg wäre das Scheitern.

Das ist das Blöde an touristischen Geheimtipps. Sprechen sie sich rum, sind es keine mehr. Wer aber reist, will entdecken. Damit er daheim erzählen kann: So toll ist es in Köln, Düsseldorf, Duisburg, Dortmund! Dafür sitzt Tourismus NRW gemeinsam mit den Touristikern im Ruhrgebiet, in Düsseldorf und Köln in einem Boot, das gewissermaßen Bananendampfer ist: Denn das neue Konzept heißt: #urbanana.

#digital natives: Ihr lest nach der Zwischenzeile weiter. Für alle anderen: Das # ist ein Hashtag. Nix mit Drogen, sondern was mit Suchen bei Twitter, Instagram, Pinterest und anderen sozialen Medien, wo die internationale junge, unternehmungslustige Klientel ihre Reiseeindrücke direkt im Internet verbreitet und auf diese Weise ganze Schwärme ins Schwärmen und in Schwärmen ins Land bringt.

Die Banane: Baumgärtels und Warhols Frucht

Unter der Schale von Urbanana verbirgt sich das Urbane – und die gebogene Frucht, die ziemlich passgenau das Gebiet zwischen Bonn im Südwesten und Bergkamen im Nordosten abdeckt. In diesem soll nun junge Klientel auf Entdeckungsreise gehen. Die Banane erinnert zudem an Andy Warhol und an Thomas Baumgärtel, der damit Kulturorte kennzeichnet.

Kultur und Kreativität – das ist das, was Erlebnisreisende heute wollen. Das nette Hinterhofcafé finden, das nicht jeder kennt. Statt des Kölner Doms ins Luisenviertel gehen zum Schauen und Schlendern. Statt in den Starlightexpress nach Bochum-Ehrenfeld und in Düsseldorf Kö und Altstadt mit Flingern und Unterbilk tauschen.

Unter dem Pflaster wartet die Galerie...Unter dem Worringer Platz warten alte Graffiti auf Entdecker.
Unter dem Pflaster wartet die Galerie...Unter dem Worringer Platz warten alte Graffiti auf Entdecker. © Kai Kitschenberg

Düsseldorfs Worringer Platz birgt ein beispielsweise ein Geheimnis: Die Fußgängerunterführung wurde um die Jahrtausendwende zugemauert, 25 Jahre alte Graffiti-Kunst überlebte – Frank Brenner (42) sprüht noch heute vor Begeisterung, wenn er davon erzählt. Unbekannte Orte wie dieser sollen von Bonn bis Bergkamen Attraktionen für Touristen werden. So soll mit #urbanana manches krumme Ding zum Vitaminstoß für den Städtetourismus in NRW werden.

Denn Düsseldorf, so bedauerte es deren Cheftouristiker Frank Schrader, genieße leider das Image des allzu Glänzenden und Glatten. Ein Problem, das das Ruhrgebiet gern mal hätte. Dass in Berlin zwar Mode gezeigt, sie jedoch in Düsseldorf verkauft wird, tröstet da weniger als die Hoffnung, dass kleinere Labels und Läden sich in Klein-Paris entdecken lassen.

Im Ruhrgebiet kommt das Lied von der kreativen Klasse mittlerweile all jenen Menschen, die wissen, wie herum eine Leinwand auf die Staffelei gehört, schon zu den Ohren raus: Dass Gelsenkirchen-Ückendorf und das Essener Nordviertel jetzt aber wirklich dank diverser kleiner Läden, Galerien und Agenturen richtig hip werden, mag der Einheimische nur begrenzt glauben.

Was sagt der Ruhri?„Elsewhere is bullshit, too“

Aber es gibt Hoffnung: Jüngst machte im Internet eine Deutschlandkarte die Runde, in der das Ruhrgebiet als „post-industrielles, prä-apokalyptisches Ghetto“ tituliert wurde. Das sollte einen großen Haufen Katastrophentouristen locken, der sich dann am stets leicht depressiven Genörgel der Einheimischen ergötzt.

Der ahnt zwar: Auch in San Francisco, Berlin-Neukölln und Brooklyn wird der Ingwertee mit Biohonig und regional geerntetem Minzblatt nur mit Heißwasser aufgegossen. Er zieht daraus aber die Folgerung: „Woanders ist auch scheiße“.

Kunstschacht in der Zeche Zollverein: Das Ruhrgebiet als postindustrelles, präapokalyptisches Ghetto.
Kunstschacht in der Zeche Zollverein: Das Ruhrgebiet als postindustrelles, präapokalyptisches Ghetto. © Socrates Tassos

Das sollte ihm künftig wenigstens bitte zweisprachig – „Elsewhere is bullshit, too“ – über die Lippen gehen. Denn die internationale Verkehrssprache des Hipsters auf der Suche nach dem unentdeckten Land ist Englisch.

Das versteht man nämlich auch in Antwerpen und Frankfurt/Main, wo zunächst mit 1,2 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren geworben wird. Weil dort eine entsprechende Klientel vermutet wird – und man kleinräumig zumindest messen kann, ob die Werbung Effekte hat.

„Der Tourist zerstört, was er sucht, in dem er es findet.“

Das ist ja das Schöne an dieser totalen Bananen-Kampagne: Ist sie erfolgreich, so ist sie gleichzeitig gescheitert, weil der Erfolg den Geheimtipp in sein Gegenteil verkehrt. Scheitert sie, so ist es insofern ein Erfolg, dass unsere Geheimtipps an Rhein und Ruhr weiterhin geheim bleiben.

Dann kann man sich damit trösten, den großen Hans-Magnus Enzensberger widerlegt zu haben, der einst verhieß: „Der Tourist zerstört, was er sucht, in dem er es findet.“

>>KOOPERATION MIT DER KREATIVWIRTSCHAFT

Für das neue Städtetourismuskonzept #urbanana kooperiert Tourismus NRW mit den lokalen Tourismusanbietern und mit der Kreativwirtschaft. Um die jeweiligen Kunst-, Kultur-, Kreativorte und Kneipen bekannt zu machen, gibt es eine Extra-Edition (zweisprachig) des Magazins „Heimatdesign“ namens „Guide to the West“, dem man allerdings noch ein bisschen mehr Mut zur Off-Szene gewünscht hätte.

Auch die Kunstzeitung „Metropol“ sowie das Düsseldorfer Magazin „The Dorf“ werden spezielle Editionen herausbringen.

Wer Entdeckungsreisender der eigenen Heimat werden will: www.nrw-tourism.com/urbanana